Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilferecht: Örtliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers. Anforderungen an die Annahme einer betreuten Wohnform im Rahmen der Zuständigkeitsverteilung. ambulante Betreuung in einer selbst angemieteten Wohnung als betreute Wohnform

 

Orientierungssatz

Hat sich ein Empfänger von Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Behinderung nach dem SGB 12 selbst eine Wohnung gesucht und von einem privaten Vermieter angemietet und wird er in dieser Wohnung lediglich von einem Maßnahmeträger, der nicht selbst Mieter ist, ambulant betreut, ohne dass die konkrete Wohnsituation für die Betreuung von Bedeutung ist, liegt keine betreute Wohnform vor, so dass für die künftige Leistungserbringung im Rahmen der Grundsicherungsleistungen derjenige Grundsicherungsträger örtlich zuständig ist, in dessen örtlichen Zuständigkeitsbereich die Wohnung gelegen ist.

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte die Gewährung der Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und zur Eingliederungshilfe nach SGB XII der Leistungsberechtigten F. G. H. ab Rechtskraft des Urteils in die eigene Zuständigkeit zu übernehmen hat.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die zugunsten der Leistungsberechtigten rechtmäßig aufgewendeten Kosten für die Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und zur Eingliederungshilfe nach dem SGB XII vom 16. November 2007 bis zur Übernahme der Hilfeleistung zu erstatten hat.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.

 

Tatbestand

Der Kläger erstrebt die Übernahme der Aufwendungen für Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII und der Eingliederungshilfe für F. G. H. und die Feststellung, dass die erbrachten Leistungen ab dem 16. November 2007 zu erstatten sind.

Die 1960 geborene F. H. ist dauerhaft voll erwerbsgemindert, mit einem Grad der Behinderung von 80 schwerbehindert, lebte zunächst im Zuständigkeitsbereich des Klägers und wurde bis Ende Oktober 2006 stationär im I. der J. betreut, wobei Kostenträger der Kläger war. Sie lebt seit dem 01. November 2006 in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft K. in L.. Sie mietete zum 16. November 2007 selbst eine Wohnung von der M. im N. in L. an und wurde weiter ambulant betreut. Sie hat monatlich eine Kaltmiete in Höhe von 164,31 Euro zuzüglich Betriebskostenabschläge von 70,19 Euro und Heizkostenabschläge von 38,98 Euro zu entrichten (Bl. 41 bis 50 der Gerichtsakte).

Die Klägerin beantragte bei der Beklagten die Übernahme der Kosten der ambulanten Betreuung und diese leitete den Antrag an den Kläger weiter, welcher die Kosten vorläufig übernahm.

Mit Schreiben vom 20. Dezember 2007 meldete der Kläger bei der Beklagten einen Kostenerstattungsanspruch an. Mit Schreiben vom 06. Februar 2008 (Bl. A62 bis 63 der Verwaltungsakte) lehnte diese den Antrag ab, da eine ambulant betreute Wohnmöglichkeit bestehe, so dass der Kläger weiterhin nach § 98 Absatz 5 SGB XII zuständig sei.

Mit Schreiben vom 10. März 2008 (Bl. 28 bis 29 der Verwaltungsakte der Beklagten) forderte der Kläger Erstattung für Aufwendungen der Grundsicherung ab dem 15. November 2007.

Mit Schreiben vom 17. April 2008 (Bl. 35 bis 36 der Verwaltungsakte der Beklagten) lehnte die Beklagte die Erstattung ab.

Der Kläger hat am 03. Juni 2008 Klage erhoben.

Er trägt vor:

Der Kläger habe gemäß § 102 Absatz 1 SGB X einen Kostenerstattungsanspruch, weil er nicht nach § 98 Absatz 5 SGB XII zuständig sei. Denn die ambulant betreute Wohnmöglichkeit werde nicht vom Betreuungsträger angeboten, sondern die Hilfebedürftige habe die Wohnung selbst angemietet. Die Beklagte sei nach § 98 Absatz 1 SGB XII zuständig. Dem Beschluss des Landessozialgerichtes Niedersachsen-Bremen vom 21. Juni 2007 - L 13 SO 5/07 ER - sei zu folgen.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, die Gewährung der Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und zur Eingliederungshilfe der F. G. H. ab Rechtskraft des Urteils in die eigene Zuständigkeit zu übernehmen und

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die zugunsten der Hilfeempfängerin rechtmäßig aufgewendeten Kosten für die Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und zur Eingliederungshilfe vom 16. November 2007 bis zur Übernahme der Hilfeleistung zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor:

Die Wohnung müsse nicht zwingend vom Betreuungsträger vermietet werden.

Die O. hat auf Anfrage der Kammer mit Schriftsatz vom 25. August 2009 mitgeteilt (Bl. 59 der Gerichtsakte), dass der Umzug auf Initiative der Hilfebedürftigen erfolgt, der Vermieter nicht Teil des Hilfekonzeptes sei und die Betreuung 10 Wochenstunden betrage. Hilfebedarf bestehe in den Zielbereichen adäquater Umgang mit Konflikten, Zubereitung von Mahlzeiten, Steuerung von Gefühlen, Äußerung von Bedürfnissen, Nutzen von Freizeit- bzw. Bildungsangeboten und Aufbau eines Bekannten- bzw. Freundeskreis...

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