Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Klage eines Einrichtungsträgers gegen einen Sozialhilfeträger auf Abschluss einer Leistungs- und Prüfungsvereinbarung. Ermessen des Sozialhilfeträgers. Ermessensreduzierung auf Null. Trennung von Vergütungs- und Leistungsvereinbarung

 

Orientierungssatz

1. Der Abschluss von Vereinbarungen mit Leistungserbringern nach § 75 Abs 3 SGB 12 steht im Ermessen des zuständigen Sozialhilfeträgers. Die Einrichtungsträger haben daher einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Sozialhilfeträgers.

2. Von einer Ermessensreduzierung auf Null ist auszugehen, wenn als Handeln des Sozialhilfeträgers allein die Abgabe einer Willenserklärung - gerichtet auf das Angebot bzw die Annahme einer bestimmten Leistungs- und Prüfungsvereinbarung - rechtmäßig wäre.

3. Regelungen, welche die Höhe des zu entrichtenden Entgelts für die zu erbringenden Leistungen regeln, gehören nicht in die Leistungsvereinbarung, sondern ausschließlich in die Vergütungsvereinbarung.

4. Der Sozialhilfeträger handelt ermessensfehlerhaft, wenn er den Abschluss einer Leistungs- und Prüfungsvereinbarung von der Zustimmung des Einrichtungsträgers zu derartigen Regelungen abhängig macht.

 

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, mit der Klägerin eine Leistungs- und Prüfungsvereinbarung i. S. v. § 75 Abs. 3 SGB XII auf der Grundlage der vom Beklagten am 18. August 2009 als Entwurf übermittelten Leistungs- und Prüfungsvereinbarung (Anlage K 1) abzuschließen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Die Klägerin erstrebt den Abschluss einer Leistungs- und Prüfungsvereinbarung (LPV) für eine von ihr betriebene Pflegeeinrichtung.

Die Klägerin betreibt in H. im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten eine stationäre Einrichtung der Altenhilfe mit 87 Pflegeplätzen, aufgeteilt in 79 Einzel- und 4 Doppelzimmer. Das Grundstück, die errichteten Gebäude nebst Verwaltungsräumen und die zugehörigen Außenanlagen und Stellplätze wurden von ihr mit Pachtvertrag vom 13. März 2009 von der I., beginnend mit der Übergabe des voll betriebsfertigen Pachtgegenstandes zum 1. Juni 2009 für die Dauer von 20 Jahren mit Verlängerungsoption gepachtet. Ebenfalls am 13. März 2009 schloss sie mit der J., einen Mietvertrag über das gesamte Inventar der Einrichtung.

Mit Schreiben vom 16. April 2009 zeigte die Klägerin dem Beklagten die beabsichtigte Eröffnung der Einrichtung zum 1. Juni 2009 an und beantragte den Abschluss einer Vereinbarung über die Investitionsaufwendungen nach § 75 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) i. V. m. § 82 Abs. 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Ein Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI wurde am 19. Juni 2009 mit Wirkung ab 1. Juni 2009 geschlossen, eine öffentliche Förderung der Einrichtung nach § 82 Abs. 3 SGB XI erfolgte nicht.

Nachdem sich die Beteiligten hinsichtlich der Investitionskosten nicht einigen konnten, beantragte die Klägerin am 28. Mai 2009 bei der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII für das Land Niedersachsen (Schiedsstelle) die Einleitung eines Schiedsverfahrens mit dem Ziel der Festsetzung der gesondert berechenbaren betriebsnotwendigen Investitionskosten für die Zeit ab dem Eingang des Antrags bei der Schiedsstelle (bzw. Eröffnung der Einrichtung zum 1. Juni 2009) bis zum 31. Mai 2010 auf 16,93 € pro Tag und Person im Doppelzimmer und auf 20,27 € im Einzelzimmer. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2009 beantragte der Beklagte gegenüber der Schiedsstelle, den Antrag zurückzuweisen und einen Investitionsbetrag von 16,68 € festzusetzen. Im Hinblick darauf, dass nach übereinstimmender Erklärung der Beteiligten gegenüber der Schiedsstelle eine schriftliche LPV bislang nicht abgeschlossen worden war, setzte diese das Verfahren in der Sitzung vom 22. Oktober 2009 auf Antrag der Beteiligten aus.

Bereits am 18. August 2009 hatte der Beklagte den Entwurf einer LPV übersandt. Nach Unterzeichnung durch ihren Geschäftsführer sandte die Klägerin diesen nebst weiteren Unterlagen (vorläufiges Anlagenverzeichnis, Lageplan, Plan der Außenanlagen) an den Beklagten zurück mit der Bitte, ein Exemplar nach Unterzeichnung zu übersenden. Dieser Aufforderung folgte der Beklagte jedoch nicht; stattdessen übersandte er mit Schreiben vom 29. Oktober 2009 den Entwurf einer weiteren LPV mit der Bitte um Unterzeichnung und Rücksendung innerhalb von 7 Tagen. Gegenüber der vorhergehenden, mit Schreiben vom 18. August 2009 übersandten Fassung enthielt dieser Entwurf in § 6 unter der Überschrift “Förderkriterien„ folgende, neu aufgenommenen Bestimmungen:

“Die Aufwendungen müssen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen.

(1) Für die Herstellung/Anschaffung von Anlagevermögen werden maximal bis zu 76.700 € pro Pflegesatz berücksichtigt

(2) Zinsen für Fremdkapital werden bis maximal 80 % der Herstellungs-/Anschaffungskosten zu (1) mit einem Zinssatz von 5,10 % anerkannt (Eigenkapitalquote 20 %).

(3) Das Eigenkapital wird mit 4 % verzinst.

(4) Für Aufwendungen der Instandhaltung/Instand...

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