Entscheidungsstichwort (Thema)
Absenkung der Regelleistung des Grundsicherungsberechtigten bei Verstoß gegen Obliegenheiten aus einer Eingliederungsvereinbarung
Orientierungssatz
1. Die Absenkung der Regelleistung nach § 31 SGB 2 setzt einen qualifizierten Pflichtenverstoß durch den Grundsicherungsberechtigten voraus. Der Hilfebedürftige muss eine in der Eingliederungsvereinbarung hinreichend klar und bestimmt festgelegte Obliegenheit zurechenbar und schuldhaft verletzt haben.
2. Die Verletzungshandlung muss ohne Weiteres aus der Eingliederungsvereinbarung selbst erkennbar sein. Aus ihr muss u. a. hervorgehen, in welcher Anzahl während eines bestimmten Zeitraumes Eigenbemühungen nachzuweisen sind. Die Verpflichtung zu Eigenbemühungen muss verhältnismäßig sein. Allein maßgeblich ist der Wortlaut der Eingliederungsvereinbarung. Nur ein Verstoß gegen diesen kann sanktioniert werden.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 11. September 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2009 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
3. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Absenkung der Regelleistung im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II um 30 Prozent für die Zeit vom 01. Oktober bis 31. Dezember 2009.
Der 1971 geborene Kläger bezieht auch im Jahre 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II.
Der Kläger schloss am 20. Februar 2009 eine Eingliederungsvereinbarung mit der Beklagten ab, welche vom Kläger und der Sachbearbeiterin unterfertigt wurde. Diese enthielt unter der Überschrift "Bemühungen zur Eingliederung in Arbeit" folgenden Passus:
"Sie unternehmen vom 20.02.09 bis 19.08.09 mindestens 3 Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse und legen hierüber immer zum Termin in der Arbeitsvermittlung Nachweise in Listenform vor. Bei der Stellensuche sind auch befristete Stellenangebote und Stellenangebote von Zeitarbeitsfirmen einzubeziehen".
Die Eingliederungsvereinbarung enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung und sollte bis längstens zum 19. August 2009 gelten. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Vertragsformular Bezug genommen.
Am 24. Juli 2009 legte der Kläger eine Liste mit Eigenbemühungen vor (Bl. 61 der Gerichtsakte).
Mit Sanktionsbescheid vom 24. Juli 2009, welcher im vorliegenden Verfahren nicht streitgegenständlich ist, senkte die Beklagte die Grundsicherung um 20 Prozent für die Monate August bis Oktober 2009 ab.
Mit Bescheid vom 31. August 2009 (Bl. 318 bis 320 der Verwaltungsakte) bewilligte die Beklagte dem Kläger Grundsicherung für die Zeit vom 01. September 2009 bis 28. Februar 2010, und zwar für die Monate September und Oktober in Höhe von 287,-- Euro monatlich und für den restlichen Zeitraum in Höhe von monatlich 359,-- Euro.
Am 02. September 2009 fand ein Beratungsgespräch mit der Arbeitsvermittlerin Frau G. statt, in welchem der Kläger keine Eigenbemühungen vorlegte (vgl. Vermerke vom 02. und 08. September 2009; Bl. 321, 340 der Verwaltungsakte). Laut Beratungsvermerk gewährte die Arbeitsvermittlerin ihm eine Nachholfrist bis zum 04. September, aber stellte in Aussicht, dass im Falle der Nichteinreichung eine Sanktion eintrete. Es war vereinbart, dass der Kläger die Nachweise im Büro der Arbeitsvermittlerin abgeben solle.
Die Eingliederungsvereinbarung vom 02. September 2009, die vom 02. September 2009 bis zum 01. März 2010 wirksam war, welche vom Kläger und der Sachbearbeiterin unterfertigt wurde sowie eine Rechtsfolgenbelehrung aufwies, enthielt unter Nr. 2 folgenden Wortlaut:
"Sie unternehmen vom 02. September 2009 bis 01. März 2010 pro Monat mindestens 3 Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse und legen hierüber folgende Nachweise vor: eine Auflistung, die zu den Terminen der persönlichen Ansprechpartnerin vorzulegen ist. Bei der Stellensuche sind auch befristete Stellenangebote und Stellenangebote von Zeitarbeitsfirmen einzubeziehen. Werden beim Termin keine Eigenbemühungen vorgelegt und ein wichtiger Grund nicht genannt bzw. keine Nachweise für einen wichtigen Grund, treten Rechtsfolgen gemäß § 31 Absatz 1 Nr. 1b SGB II ein. Eine Nachfrist zum Einreichen der Eigenbemühungen wird nicht gewährt.
Die Liste der Eigenbemühungen werden bis zum 04. September 2009 nachgereicht. Sollten die Eigenbemühungen nicht vorgelegt werden, treten Rechtsfolgen gemäß § 31 SGB II ein."
Am 04. September erschien der Kläger nach eigenen Angaben mit Frau H. bei der Beklagten und legte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Eingangsbereich vor, welche auch zur Verwaltungsakte gelangte (Bl. 347 der Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 11. September 2009 (Bl. 331 bis 333 der Verwaltungsakte) senkte die Beklagte die Regelleistung für die Zeit vom 01. Oktober bis 31. Dezember 2009 um 30 vom Hundert ab, ...