Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Zwangsvollstreckung aus bezifferter Zahlungsverpflichtung einer einstweiligen Anordnung. sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Zwangsvollstreckung von bezifferten Geldforderungen aus einstweiligen Anordnungen der Sozialgerichte sind die Amtsgerichte als Vollstreckungsgerichte nach § 198 Abs 1 SGG in Verbindung mit §§ 764, 828 Abs 2 ZPO zuständig.
2. Eine Zuständigkeit der Sozialgerichte für die Zwangsvollstreckung aus einstweiligen Anordnungen nach § 201 SGG besteht nicht, wenn die Verpflichtung auf Leistung einer bezifferten Geldsumme lautet.
3. Eine Zuständigkeit der Sozialgerichte für die Zwangsvollstreckung aus einstweiligen Anordnungen, die eine Behörde zu einer bezifferten Geldleistung verpflichten, folgt nicht aus § 86b Abs 2 S 4 SGG in Verbindung mit §§ 928, 930 Abs 1 S 3 und 918, 943 Abs 1 ZPO, weil die spezielle Zuständigkeit des Arrestgerichts als Vollstreckungsgericht für Vollstreckungshandlungen, die auf Befriedigung des Gläubigers gerichtet sind, nicht einschlägig ist.
Tenor
Das Sozialgericht Magdeburg erklärt sich für den Antrag auf Zwangsvollstreckung vom 22. Februar 2017 und den hierzu gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für sachlich unzuständig und verweist die Zwangsvollstreckungssache und das Prozesskostenhilfeverfahren an das zuständige Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - W.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrte mit Antrag vom 28. Oktober 2016 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihr ab Oktober 2016 weiterhin Kosten der Unterkunft und Heizung zu leisten.
Die 11. Kammer des Sozialgerichts Magdeburg hat dem Antrag mit Beschluss vom 10. November 2016 stattgegeben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin für den Zeitraum vom 01.10.2016 bis 31.03.2017 vorläufig Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 335,50 EUR entsprechend der Bewilligung mit Bescheid vom 31. August 2016 zu leisten.
Hiergegen hat die Antragsgegnerin am 21.November 2016 (Eingang) Beschwerde zum Landessozialgericht Sachsen-Anhalt erhoben und zugleich einen Antrag auf einstweilige Aussetzung der Vollstreckung gestellt (Az. L 5 AS 669/16 B ER).
Mit Beschluss vom 05. Dezember 2016 hat der 5. Senat des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt den Antrag auf einstweilige Aussetzung der Vollziehung abgelehnt.
In der nichtöffentlichen Sitzung des 5. Senats des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 08. Februar 2017 hat die Antragsgegnerin die Beschwerde zurückgenommen.
Die Antragstellerin hat beim Sozialgericht Magdeburg am 22. Februar 2017 die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 10. November 2016 bezüglich der Leistung für November 2016 sowie die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt.
II.
Die Zwangsvollstreckungssache ist nach § 98 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 17a Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) an das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - W. zu verweisen. Das Sozialgericht Magdeburg ist für die Zwangsvollstreckung das sachlich unzuständige Gericht. Die Beteiligten sind angehört worden. Die Antragstellerin hat der Verweisung am 28. Februar 2017 zugestimmt, die Antragsgegnerin hat sich nicht geäußert.
1. Die Vollstreckung von Geldforderungen aus einer einstweiligen Anordnung des Sozialgerichts richtet sich nach § 198 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 882a Zivilprozessordnung (ZPO), wobei es der Einhaltung einer Wartefrist nach § 882a Abs. 5 ZPO nicht bedarf. Zuständiges Vollstreckungsgericht ist nach §§ 198 Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 764, 828 Abs. 2 ZPO das Amtsgericht, bei dem der Schuldner im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 24.07.2012, Az. L 18 AS 1772/12 B ER).
Die Verweisung des § 198 Abs. 1 SGG auf eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des Achten Buches der ZPO steht zwar unter dem Vorbehalt, dass sich aus dem SGG nichts anderes ergibt. Für die Vollstreckung bezifferter Geldforderungen aus einstweiligen Anordnungen bestehen jedoch keine vorrangigen Spezialvorschriften.
a) Eine Vollstreckung nach § 201 SGG kommt nicht in Betracht. Diese Norm sieht vor, dass Verpflichtungsurteile im Sinne des § 131 SGG durch das Gericht des ersten Rechtszuges im Wege der Androhung und Festsetzung von Zwangsgeldern vollstreckt werden. Sie ist auf einstweilige Anordnungen zwar grundsätzlich analog anwendbar, jedoch nur, soweit deren Regelungen einem Urteilsspruch nach § 131 SGG entsprechen (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 201, Rn. 2a). Es kommt zwar auch eine analoge Anwendung auf Leistungsurteile in Gestalt von Grundurteilen nach § 130 S. 1 SGG in Betracht, weil auch diese regelmäßig eine Behörde zu einer nicht vertretbaren Handlung verpflichten (vgl. BSG, Beschl. v. 06.08.1999, Az. B 4 RA 25/98 B). Für Vollstreckungen, die eine bezifferte Geldforderung zum Gegenstand...