Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. zulässiger Rechtsweg. Verweisung des Rechtsstreits durch Arbeitsgericht an Sozialgericht. Bindungswirkung. offensichtlich gesetzeswidrige Verweisung. Abgrenzung: Arbeitsverhältnis und Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung
Orientierungssatz
1. Die bindende Wirkung eines Verweisungsbeschlusses ist auch im Bestimmungsverfahren des § 36 Nr 6 ZPO zu beachten. Nur so kann der Zweck des § 17a Abs 2 S 3 GVG erreicht werden, unnötige und zu Lasten der Parteien gehende Zuständigkeitsstreitigkeiten zu vermeiden.
2. Auch fehlerhafte Verweisungsbeschlüsse sind grundsätzlich bindend. Lediglich eine offensichtlich gesetzeswidrige Verweisung kann diese Bindungswirkung nicht entfalten. Offensichtlich gesetzwidrig ist ein Verweisungsbeschluss dann, wenn er jeder Rechtsgrundlage entbehrt, willkürlich gefasst ist oder auf der Versagung rechtlichen Gehörs gegenüber einem Verfahrensbeteiligten beruht.
3. Zur Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung iS des § 16d SGB 2.
Nachgehend
Tenor
1. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist unzulässig.
2. Der Rechtsstreit wird dem Bundessozialgericht zur Bestimmung des Rechtsweges vorgelegt.
Gründe
I. Mit Klage vom 14.9.2010, eingegangen beim Arbeitsgericht Magdeburg am 16.9.2010, Az. 6 Ca 2660/10, begehrte die Klägerin Kündigungsschutz aufgrund einer, von der Beklagten, ihrer Arbeitsgeberin Fa. C in O, vertreten durch die Geschäftsführerin, am 8.9.2010 ausgesprochenen fristlosen Kündigung.
Die Klägerin war aufgrund befristeten Arbeitsvertrages vom 19.5.2010 für die Zeit vom 20.5.2010 bis 19.2.2011 als Reinigungskraft bei der Beklagten angestellt. Unter § 4 Vergütung war ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von € 102,00 vereinbart. Eine feste Arbeitszeit war zwischen den Parteien nicht vereinbart worden. Unter § 3 Arbeitszeit heißt es hierzu:
§ 3 Arbeitszeit
1. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ohne Pause beträgt …. Wochenstunden bei einer 6-Tage-Woche. Die Verteilung der werktäglichen Arbeitszeit richtet sich nach den betrieblichen Erfordernissen und bleibt dem Weisungsrecht der Arbeitgeberin im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes und des Tarifvertrages vorbehalten. Die Reinigungstätigkeit erfolgt überwiegend in den
Morgenstunde X
Abendstunden O
2. …
3. …
Zu § 4 Vergütung heißt es:
1. Der/Die Arbeitnehmer/in erhält ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von EUR (handschriftlich) 102,- €
…
Mit gerichtlicher Verfügung vom 17.9.2010 wies das Arbeitsgericht Magdeburg auf seine Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtsweges zum Arbeitsgericht hin. Die Klägerin stehe nach bisherigem Vortrag bei der Beklagten in einem "1,00-€-Job". Arbeiten im Rahmen einer solchen Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung begründeten keine Arbeitsverhältnis (§ 16 d SGB II).
Das Gericht wies die Parteien darauf hin, dass es beabsichtige, über die Zulässigkeit des Rechtswegs ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs, voraussichtlich des Sozialgericht Magdeburg, zu verweisen (§§ 48, ArbGG, 17 a GVG).
Die Parteien erhielten auf diesen gerichtlichen Hinweis eine Frist zur Stellungnahme binnen 2 Wochen.
Durch Beschluss vom 14.10.2010 verwies das Arbeitsgericht Magdeburg den Rechtsstreit an das Sozialgericht Magdeburg.
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht Magdeburg ausgeführt:
"Der Rechtsweg zu den Gerichten der Arbeitsgerichtsbarkeit ist nicht gegeben.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG entscheiden die Gerichte für Arbeitssachen über bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn die Parteien des Rechtsstreits verbindet kein Arbeitsverhältnis, sondern eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung. Dabei handelt es sich um eine Leistung, die in § 16 III SGB-II geregelt ist und von Rechtssätzen des öffentlichen Rechts geprägt wird (vgl. BAG, DB 2008, 1160; BAG, NZA 2007, 54). § 16 Abs. III 2 2. Halbsatz SGB-II (wohl alte Fassung; § 16d SGB II in der zur Zeit der Begründung des Arbeitsverhältnisses gültigen Fassung) bestimmt ausdrücklich, dass Arbeiten im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts begründen. Deshalb sind für Rechtsstreitigkeiten hieraus nicht die Arbeitsgerichte, sondern die Sozialgerichte zuständig (BAG, NZA 2007, 54).
Zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits zuständig ist nach §§ 51 I Nr. 4a, 57 I 1 SGG das Sozialgericht Magdeburg.
Dieser Beschluss ergeht ohne mündliche Verhandlung (§§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17a Abs. 4 GVG) durch die Kammer (§ 48 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG)."
Der Beschluss wurde den Parteien am 25.10.2010 zugestellt.
Nachgeheftet in der Gerichtsakte ist die Stellungnahme der Klägerin vom 11.10.2010, eingegangen am 13.10.2010. Die Klägerin hält den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für z...