Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. Anspruchseinschränkung. Befristung auf sechs Monate. Gewährung internationalen Schutzes durch einen anderen Mitgliedstaat der EU. Undurchführbarkeit der Ausreise. Beschränkung der Leistungen auf das physische Existenzminimum. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Nach § 14 Abs 1 AsylbLG sind Anspruchseinschränkungen auf sechs Monate zu befristen. Ist eine solche Befristung nicht erfolgt, führt dies zur Rechtswidrigkeit des Bescheides (vgl LSG München vom 19.3.2018 - L 18 AY 7/18 B ER = ZFSH/SGB 2018, 339 = juris RdNr 24 und LSG Neustrelitz vom 21.6.2018 - L 9 AY 1/18 B ER = juris RdNr 47).
2. Die Regelung des § 1a Abs 4 S 2 AsylbLG dürfte nicht nur auf die Rechtsfolgen des § 1a Abs 2 S 2 AsylbLG verweisen, sondern auch auf die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen. Eine Anspruchseinschränkung besteht also dann nicht, wenn die Ausreise aus Gründen, die die Antragsteller nicht zu vertreten haben, nicht durchgeführt werden kann.
3. Es bestehen erhebliche Zweifel, ob durch die Leistungseinschränkung des § 1a Abs 4 S 2 AsylbLG auf das physische Existenzminimum der verfassungsrechtliche Anspruch auf Sicherung einer menschenwürdigen Existenz gemäß Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG noch gewährleistet ist (vgl SG Lüneburg vom 12.9.2017 - S 26 AY 35/17 ER = Asylmagazin 2017, 419 und SG Stade vom 10.5.2017 - S 19 AY 19/17 ER = Asylmagazin 2017, 314).
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 22.08.2018 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25.07.2018 wird angeordnet.
Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu erstatten.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren über die Rechtmäßigkeit einer Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Die Antragsteller sind syrische Staatsangehörige und reisten am 20.03.2018 gemeinsam mit ihren zwei minderjährigen Kindern in die Bundesrepublik Deutschland ein. Die Antragstellerin zu 2) ist zudem erneut schwanger. Voraussichtlicher Entbindungstermin ist der 15.12.2018. Ihr Antrag auf Gewährung von Asyl vom 26.03.2018 wurde wegen Gewährung internationalen Schutzes in Griechenland mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 04.07.2018 als unzulässig abgelehnt. Dagegen erhoben die Antragsteller am 24.07.2018 Klage beim Verwaltungsgericht M. (Az. 9 A 203/18 MD) und beriefen sich auf ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. Bei einer Rückführung nach Griechenland würde eine Verletzung des Art. 3 EMRK drohen. Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem VG M. war am 25.09.2018. Ein Urteil erging an dem Tag nicht. Nach telefonischer Auskunft der Antragstellerbevollmächtigten am 27.09.2018 sei dies in zwei Wochen zu erwarten.
Die Antragsteller verweisen auf das stattgebende Urteil des VG M. vom 04.09.2018, Az. 9 A 156/18, in einer gleichgelagerten Sache, deren Kläger auch vor der erkennenden Kammer einen Eilantrag stellten (SG M., Beschluss vom 28.09.2018, Az. S 25 AY 25/18 ER). Mit Urteil vom 04.09.2018 verpflichtete das Verwaltungsgericht M. das BAMF dazu festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 5 AufenthG bzgl. Griechenland vorliege. Zur Begründung wird ausgeführt, dass den Antragstellern zwar internationaler Schutz in Griechenland gewährt worden sei, der angedrohten Abschiebung aber das Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 5 AufenthG entgegenstehe, da ihnen dort eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK drohe. Es beständen in Griechenland derzeit grundlegende Defizite im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen, insbesondere zum Zugang zu Wohnraum und Schaffung einer Existenzgrundlage. Die Gefahr der Obdachlosigkeit sowie die daran anknüpfende Gefahr, in eine existenzielle Notlage zu geraten, stehe zumindest in der Anfangszeit nach der Rückkehr im Raum. Zudem komme hinzu, dass die minderjährigen Kinder der Antragsteller einer besonderen Schutzbedürftigkeit unterfallen.
Die Antragsteller wohnen in der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber in H. Gemäß Bescheid vom 04.04.2018 bezogen sie ab dem 20.03.2018 Leistungen nach § 3 AsylbLG, die ihnen bis zum 31.07.2018 in ungeminderter Höhe ausgezahlt wurden.
Mit Schreiben des Antragsgegners vom 18.07.2018, den Antragstellern am 23.07.2018 ausgehändigt, erhielten die Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 24.07.2018 hinsichtlich der geplanten Leistungseinschränkung. Mit Schreiben vom 25.07.2018 wiesen die Antragsteller auf die Rechtshängigkeit des Asylverfahrens beim VG MD hin.
Mit Bescheid vom 25.07.2018 gewährte der Antragsgegner den Antragstellern Leistungen nach dem AsylbLG nur noch eingeschränkt. Die Leistungskürzung nach § 1a Abs. 4 S. 2 AsylbLG bezog sich auf die Leistungen zur Deckung aller notwendigen persönlichen Bedarfe (Barbetrag) von monatlich je 122,- Euro auf je 13,31 Euro für Körper- und Gesundheitspflege. Eine Kürzung des Barbetrages der minderjährigen Kinder ...