Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeitsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung. Arzneikostenregress wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise. Wahl der kostengünstigsten Bezugsquelle
Orientierungssatz
Zur wirtschaftlichen Verordnungsweise von Arzneimitteln gehören nicht nur preisgünstige Verordnungen, sondern auch die Bezugsquellen (vgl dazu § 73 Abs 8 S 1 SGB 5, der in der ab 1.4.2007 geltenden Fassung eine diesbezügliche Informationspflicht statuiert). Unwirtschaftlich ist die Arzneimittelverordnung dann, wenn eine gleich geeignete, aber kostengünstigere Bezugsform zur Verfügung stand (hier: Bezug einer Gerinnungsfaktorzubereitung über eine öffentliche Apotheke).
Nachgehend
Tenor
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Verfahren, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu tragen.
Der Streitwert wird auf 16.311,60 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich, in den mit Beschluss vom 27.01.2012 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klageverfahren gegen für die Quartale 2/2006 bis 1/2007 im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung wegen Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot festgesetzten Regresse in Höhe von insgesamt 16.311,60 Euro.
Die Klägerin nahm zum streitgegenständlichen Zeitpunkt als Fachärztin für Allgemeinmedizin in Klostermannsfeld an der vertragsärztlichen Versorgung teil.
Nach vorheriger Anhörung setzte der Prüfungsausschuss bzw. die Prüfungsstelle auf Antrag der Beigeladenen zu 1) gegen die Klägerin wegen Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot im besonderen Fall gem. § 106 Abs. 5 SGB V i. V. m. § 12 der Prüfungsvereinbarung Sachsen-Anhalt zugunsten der Beigeladenen zu 1) folgende Regresse fest:
Quartal 2/2006: Bescheid vom 25.07.2007, Regress in Höhe von 4.028,40 Euro,
Quartal 3/2006: Bescheid vom 25.10.2007, Regress in Höhe von 4.028,40 Euro,
Quartal 4/2006: Bescheid vom 17.12.2007, Regress in Höhe von 4.028,40 Euro,
Quartal 1/2007: Bescheid vom 24.06.2008, Regress in Höhe von 4.226,40 Euro.
Zur Begründung wurde jeweils u. a. ausgeführt, die Klägerin habe aufgrund des getätigten Bezugsweges für den Gerinnungsfaktor VIII SDH Inters 1000 DFL über eine öffentliche Apotheke Mehrkosten in der regressierten Höhe veranlasst. Ein Direktbezug über den Hersteller hätte diese Mehrkosten verhindert. Die Klägerin habe das Wirtschaftlichkeitsgebot gem. § 12 Abs. 1 SGB V zu beachten. Die Beigeladene zu 1) habe, vertreten durch zwei Mitarbeiterinnen, am 28.10.2005 ein persönliches Gespräch mit der Ärztin in ihrer Praxis geführt. Ziel sei es gewesen, die Ärztin über die Möglichkeiten und die damit verbundene Kostenersparnis des Direktbezuges gem. § 47 AMG zu informieren, um zukünftig auf diese Verfahrensweise umzustellen. Nach dieser Vorschrift dürfen pharmazeutische Unternehmer das o. g. Präparat auch an Ärzte abgeben. Dieses beschriebene Verfahren wird in der Regel bei Hämophilie-Patienten durchgeführt und es handele sich dabei um die wirtschaftlichste Verordnungsweise. Die Klägerin habe diesen Vertriebsweg nicht entsprechend der gesetzlichen Gegebenheiten umgesetzt und dadurch Mehrkosten in Höhe der jeweiligen Regressierung verursacht.
Gegen alle 4 Bescheide legte die Klägerin Widerspruch ein. Mit ihren Widersprüchen machte die Klägerin insbesondere geltend, dass es für die Festsetzung eines Regresses an einer bestimmten, sich aus einem formellen Parlamentsgesetz ergebenden Norm fehle. Die Inanspruchnahme der Klägerin greife in deren Rechte nach Artikel 2, 12 und 14 GG erheblich ein. Weder aus dem SGB V noch aus der Prüfvereinbarung Sachsen-Anhalt seien demgegenüber hinreichend bestimmte Normen auffindbar. Die §§ 2 und 12 SGB V stellten lediglich Rechtsprinzipien dar. § 106 SGB V regele den vorliegenden Einzelfall nicht. Aus § 47 AMG ließe sich weder eine Verpflichtung des Herstellers zur Belieferung anderer Abnehmer als Apotheken noch eine Verpflichtung anderer Abnehmer zum Bezug und zur Abnahme entnehmen. Ebenso ließe sich nicht aus §§ 3 und 12 der PV die Anordnung eines Regresses bei Nichtbenutzung des alternativen Bezugsweges gem. § 47 AMG entnehmen. Die Berufung auf die §§ 2, 12 und 106 SGB V i. V. m. §§ 3 und 12 PV könne daher nicht zu einem Regressanspruch führen. Es sei zwar richtig, dass die Klägerin durch Mitarbeiterinnen der Beigeladenen zu 1) auf den alternativen Bezugsweg nach § 47 AMG hingewiesen wurde, jedoch nicht auf eine angebliche Verpflichtung, diesen Bezugsweg auch zu nutzen.
Mit Bescheiden vom 25.04.2008 (Prüfbescheide vom 25.07.2007 und 25.10.2007) und mit Bescheiden vom 29.04.2009 (Prüfbescheide vom 17.12.2007 und 24.06.2008) wies der Beklagte die Widersprüche der Klägerin zurück. In den entsprechenden Bescheiden wurde jeweils ausgeführt, dass die Beanstandung seitens der Beigeladenen zu 1) hinsichtlich des Bezugsweges für den Gerinnungsfaktur VIII SDH Inters 1000 DFL zu Recht erfolgt sei. Gemäß § 12 Abs. 1 SGB V müssen Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtsc...