Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen einer Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch den Rentenversicherungsträger

 

Orientierungssatz

1. Nach § 10 SGB 6 kann der Rentenversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten erbringen, wenn diese u. a. durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann.

2. Begehrt der Versicherte ausdrücklich keine Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. sondern die Einleitung von Umschulungsmaßnahmen, so muss dessen Gesundheitszustand stabil sein. Bei einer psychischen Erkrankung ist dazu erforderlich, dass langfristig eine Psychotherapie durchgeführt wird. Solange eine solche nicht stattfindet, kann keine positive Aussage darüber getroffen werden, ob ein Berufswechsel allein einen positiven Einfluss auf den Gesundheitszustand des Versicherten haben wird.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 25.01.2018; Aktenzeichen B 5 R 212/17 B)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt 1/2 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Die am ... 1974 geborene Klägerin beantragte am 31. Oktober 2012 bei der Beklagten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Die Klägerin absolvierte von Oktober 1990 bis Februar 1993 die Ausbildung zur Verkäuferin im Einzelhandel. Von 1994 bis 1995 arbeitete sie als Sachbearbeiterin in der Buchhaltung. Von Februar 1995 bis Mai 1995 war sie kurzfristig als Kauffrau (kaufmännische Leitung) eingesetzt. Von Februar 1996 bis Dezember 1997 war sie für den Warenverkauf/Annahme zuständig. Von Juli 1999 bis Februar 2000 war sie selbständig. Seit Februar 2006 arbeitet sie als Außendienstmitarbeiterin in einem Großhandel. Die tägliche Wochenzeit betrug 35 Stunden. Als Grund für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erklärte sie, dass sie psychisch krank sei und sich die Arbeit nicht mehr zutraue. Derzeit sei sie mit dem Auto und dem vorhandenen Kundenkontakt überfordert.

Die Beklagte holte einen Befundbericht von dem behandelnden Arzt R., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, ein. Dieser berichtete unter dem 13. November 2012, bei der Klägerin habe sich eine depressive Entwicklung seit ca. acht Jahren nach partnerschaftlicher Trennung (Existenzängste) entwickelt. Von 2009 bis 2011 habe eine Psychotherapie stattgefunden. Die Klägerin befinde sich seit 17. September 2012 in der psychiatrischen Tagesklinik S. Eine Belastbarkeit für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bestehe. Als Diagnose teilte er eine mittelgradige depressive Episode mit. Weiter wurde der Entlassungsbericht von der psychiatrischen Tagesklinik AMEOS Klinikum S. für den Zeitraum 17. September 2012 bis 22. November 2012 eingeholt. Als Diagnose wurde eine mittelgradige depressive Episode und eine posttraumatische Belastungsstörung mitgeteilt. Insgesamt sei eine gute Mitarbeit der Klägerin bei allen Therapien zu sehen gewesen. Aufgrund der Ausprägung der traumatisierenden Ereignisse in ihrer Vergangenheit und Einfluss auf ihr aktuelles Familien- und Berufsleben wäre langfristig eine ambulante psychotherapeutische Unterstützung vonnöten. Gegen Therapieende sei eine Grundstabilisierung und eine deutlich mehr in Struktur und weniger Rastlosigkeit bei der Klägerin zu beobachten gewesen. Gleichsam bestehe weiterer Therapiebedarf fort.

Durch Bescheid vom 25. Januar 2013 wurden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben abgelehnt. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Das Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vom 15. Februar 2013 wurde beigezogen. Die Klägerin meide die Öffentlichkeit, in Zusammenhang mit den Ängsten bestünden körperliche Beschwerden im Sinne einer somatoformen Störung. Die Versicherte befinde sich in einer ängstlich mittelgradig depressiven Episode mit beeinträchtigender Belastungs- und Leistungsfähigkeit, insbesondere in Bezug auf ihre letzte Tätigkeit. Es ließe sich ein zerrüttetes Verhältnis zwischen ihr und dem Arbeitgeber eruieren, die Versicherte würde sich beruflich umorientieren und habe deshalb Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beantragt. Insgesamt bestehe eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit. Diplom-Psychologe S. berichtete unter dem 6. Mai 2013, es bestünde bei der Klägerin eine anhaltende mittelgradige depressive Episode, generalisierte Angststörung und eine somatoforme Störung. Zwei Bandscheibenvorfälle an der HWS seien diagnostiziert. Im psychotherapeutischen Behandlungszeitraum vom 12. Februar 2013 bis 22. April 2013 wirkte die Klägerin ruhiger und gelassener, insbesondere durch die begonnene Klärung einer sozialverträglichen Lösung des Arbeitsrechtsverhältnisses mit ihrem Arbeitgeber. Sie zeigte hierbei Eigeninitiative und ist um eine Lösung ihres Berufsproblems bemüht. Sie sei weiter bemüht, eine Teilhabe am Arbeitsleben unter...

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