Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung: Umfang der Beitragspflicht

 

Orientierungssatz

Ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ist berechtigt, durch Satzung einen Mindestbeitrag einzuführen, selbst wenn dies im Fall einer kurzzeitigen Beschäftigung zu einem erheblichen Missverhältnis zwischen rechnerisch ermitteltem Beitrag (hier: 4,26 Euro) und dem festgelegten Mindestbeitrag (hier: 100,00 Euro) führt. Dabei ist die Erhebung des Mindestbeitrags auch dann nicht rechtswidrig, wenn die Beschäftigung selbst nur so gering war, dass der Mindestbeitrag nahezu die Höhe der gezahlten Vergütung erreicht.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 04.12.2014; Aktenzeichen B 2 U 16/13 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 95,93 EUR festgesetzt.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob der für 2006 geforderte Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung sowie für die Insolvenzgeldumlage auf 4,26 EUR statt auf 100,18 EUR festzusetzen ist.

Der am 22.4.1945 geborene Kläger beschäftigte 2006 kurzzeitig, nämlich für 17 Stunden im gesamten Jahr, eine Aushilfskraft, für die er nach seinen Angaben insgesamt 120,05 EUR Nettolohn oder 122 EUR Bruttoarbeitsentgelt und 30,75 EUR Abgaben an die Bundesknappschaft (Minijobzentrale) aufwandte.

Die Beklagte forderte nach entsprechender Meldung des Klägers mit Bescheid vom 20.4.2007 Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung sowie für das Insolvenzgeld für die Bundesanstalt für Arbeit in Höhe von 100,18 EUR für 2006, wies den hiergegen eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger eine sittenwidrige Höhe der Forderung geltend machte, mit Widerspruchsbescheid vom 4.12.2007, zugegangen am 10.12.2007, zurück und führte zur Begründung sinngemäß im Wesentlichen aus: Der Beitrag zur Unfallversicherung für 2006 auf der Grundlage von Arbeitsentgelten betrage 4,26 EUR und sei auf den Mindestbeitrag von 100 EUR anzuheben, hinzu komme der Beitrag für das Insolvenzgeld von 0,18 EUR. Nach § 161 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) könne die Erhebung eines einheitlichen Mindestbeitrages durch Satzung bestimmt werden. Nach § 26 Abs. 6 der Satzung der Beklagten werde ein einheitlicher Mindestbeitrag erhoben. Die Höhe habe der Vorstand auf 100 EUR festgesetzt. Die Höhe sei nicht unangemessen, weil auch bei kurzzeitiger Beschäftigung ein uneingeschränktes Versicherungsrisiko bestehe, nämlich ein Anspruch des Versicherten auf uneingeschränkte Leistungen.

Der Kläger hat am 10.1.2008 Klage erhoben und macht im Wesentlichen geltend, die Höhe der Beitragsforderung sei unangemessen bzw. unverhältnismäßig.

Der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 20.4.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.12.2007 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, den für 2006 von ihm geforderten Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung sowie für die Insolvenzgeldumlage auf 4,26 EUR statt auf 100,18 EUR festzusetzen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hält ihre Bescheide für zutreffend.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20.4.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.12.2007 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Er kann nicht beanspruchen, daß für 2006 der Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung sowie für die Insolvenzgeldumlage auf 4,26 EUR statt auf 100,18 EUR festgesetzt wird.

Zwar kann der Kläger für die von ihm behauptete Sittenwidrigkeit, Unangemessenheit bzw. Unverhältnismäßigkeit der Höhe der Beitragsforderung einige Gesichtspunkte anführen: Immerhin beträgt der Mindestbeitrag von 100 EUR mehr als das 23-fache des Beitrages von 4,26 EUR, der sich aus dem Jahresbruttoarbeitsentgelt von 122 EUR errechnet. Zudem werden durch die Erhebung von Mindestbeiträgen in Höhe von 100 EUR - entgegen politisch erklärtem Ziel - kurzzeitige Beschäftigungen (etwa bei haushaltsnahen Dienstleistungen) nicht gefördert, sondern faktisch verhindert.

Aber die Erhebung eines von den Verhältnissen des Klägers unabhängigen, nämlich für jegliche Verhältnisse einheitlichen Mindestbeitrages steht im Einklang mit § 161 SGB VII und der durch diese Vorschrift gedeckten Regelung der Satzung der Beklagten. Die Einheitlichkeit bzw. fehlende Differenzierung des Mindestbeitrages gebietet schon die Einfachheit der Beitragserhebung. Die Höhe des einheitlichen Mindestbeitrages von 100 EUR bezweckt nicht nur die Deckung von Verwaltungskosten, sondern insbesondere auch der Kosten, die durch die Gewährung eines umfassenden Versicherungsschutzes gegen Unfall auch bei kurzzeitiger Beschäftigung entstehen können. Die Kammer teilt inso...

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