Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Anspruch auf Herausgabe der Krankenunterlagen. Medizinischer Dienst der Krankenversicherung. Einwilligung des Betroffenen

 

Orientierungssatz

1. Eine Krankenkasse hat bei Fehlen vertraglicher Regelungen einen Anspruch auf Herausgabe von Krankenunterlagen, wie zB des OP-Berichtes und des Krankenhausentlassungsberichtes in analoger Anwendung des § 273 Abs 1 BGB und ist bei Nichtherausgabe berechtigt, eine weitere Kostenübernahme der Krankenhausbehandlung zu verweigern.

2. Die Vorschrift des § 276 Abs 1 SGB 5 spricht dagegen, dass das Krankenhaus die Unterlagen nur direkt an den MDK zu übergeben hat.

3. Eine Datenübermittlung an die Krankenkasse ist ohne Einwilligung des Patienten zulässig.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.05.2003; Aktenzeichen B 3 KR 10/02 R)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Bezahlung weiterer 14 923,74 DM (7 630,39 Euro) für die Behandlung der Versicherten Regina K.

Regina K wurde in der Zeit vom 28. März bis 23. Mai 2000 im Krankenhaus des Klägers behandelt. Sie wurde aufgrund einer Verordnung von Krankenhauspflege mit einer paranoiden Schizophrenie in der Psychiatrischen Abteilung des Klägers aufgenommen und dort später auch in der Inneren Abteilung und der Chirurgie behandelt. Die Beklagte erklärte die Kostenübernahme bis zum 15. April 2000. Die Verlängerung der Kostenübernahme lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 5. Juni 2000 unter Hinweis darauf ab, dass der Kläger ihr keinen Befund -- bzw. Entlassungsbericht übersandt habe, den sie für eine Begutachtung benötige.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Beklagte keinen Anspruch auf Herausgabe von Krankenunterlagen an sich selbst habe, sondern dass lediglich der MDK einen entsprechenden Anspruch zur Erledigung eines an ihn gerichteten Begutachtungsauftrages habe. Die Krankenkasse habe gegenüber dem Krankenhaus lediglich Anspruch auf Übermittlung ganz bestimmter Daten, die abschließend in § 301 Abs. 1 SGB V bestimmt seien. Nur ausnahmsweise sei die Krankenkasse berechtigt, bei der Erbringung von Leistungen zusätzliche Unterlagen von dem Krankenhaus anzufordern. Diese Ausnahme sei in den §§ 275 Abs. 1 Nr. 1, 276 Abs. 1 Satz 1 SGB V geregelt und betreffe ausschließlich den Fall, dass die Krankenkasse den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Überprüfung von Voraussetzung, Art und Umfang einer beantragten Leistung beauftragt. Die Krankenunterlagen des Krankenhauses würden in diesem Fall indessen nicht offen an die Beklagte, sondern unmittelbar an den MDK oder aber der Krankenkasse in einem verschlossenen und versiegelten Umschlag zur Weiterleitung an den MDK übersandt. Im vorliegenden Fall beabsichtige die Beklagte indessen, einen von ihr beschäftigten "Gutachterarzt" mit der Erstellung des Gutachtens zu beauftragen. Dies widerspreche nicht nur den bereits genannten Vorschriften sondern auch den auf Landesebene geschlossenen sogenannten Sicherungsverträgen im Sinne von § 112 SGB V. Zwar existiere im Land Sachsen-Anhalt ein solcher Vertrag nicht, aber die Beklagte habe ihren Sitz in einem Bundesland (Nordrhein-Westfalen), in dem ein solcher Vertrag bestehe. Entsprechend dem Urteil des 3. Senates des BSG vom 21.8.1996 (Az.: 3 RK 2/96) erstrecke sich ein solcher Vertrag auch über die jeweilige Landesgrenze hinaus. Auch gehe das Bundessozialgericht in seiner neuesten Rechtsprechung zur Vergütung der Krankenhäuser ersichtlich davon aus, dass die Krankenkassen bei der Klärung medizinischer Zweifel an der Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung zur Einschaltung des MDK verpflichtet sei. So habe der 3. Senat in seinem Urteil vom 17. Mai 2000 (Az.: B 3 KR 33/99 R unten auf Seite 6 des Umdrucks) ausgeführt: "Nach Landesvertrag hat das Krankenhaus unverzüglich nach der Aufnahme des Versicherten eine Aufnahmeanzeige an die Krankenkasse zu senden. Die Krankenkasse hat danach, falls sie in Kenntnis der Verordnung des behandelnden Vertragsarztes und der Aufnahmeanzeige Zweifel an der Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung hegt, die Möglichkeit, zur Klärung den MDK einzuschalten (§ 276 Abs. 4 SGB V) oder eine Kostenübernahmeerklärung zunächst zu befristen. Das Recht der Krankenkasse zur Prüfung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit durch den MDK ist auch im Landesvertrag vereinbart." Auch der 9. Senat des Landessozialgerichtes Berlin habe in seinem Urteil vom 28.3.2001 (Az.: L 9 KR 230/00) ausgeführt, dass die Krankenkasse den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung für die weitere Überprüfung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit einschalte. Die Krankenkasse übersende hierzu dem MDK den vom Krankenhaus vorgelegten Kurzbericht und der MDK prüfe auf der Grundlage dieses Berichtes die Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung. Das Landessozialgericht Berlin vertrete außerdem die Auffassung, dass eine Verletzung des gesetzlich und vertraglich vorgeschriebenen Prüfverfahrens durch die Beklagte zum Ausschluß von Einwendungen gegen die Erforder...

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