Tenor
1. Die mündliche Verhandlung wird vertagt.
2. Das Verfahren wird ausgesetzt.
3. Dem Bundesverfassungsgericht wird gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt:
Verstößt § 434j Abs. 2S. 2 des Dritten Buchs des Sozialgesetzbuchs - SGB III -, eingefügt durch Art. 2 Nr. 9 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende - GSiFoG - vom 20.07.2006 (BGBl I, 1706), in Kraft getreten mit Wirkung vom 01.06.2006 (Art. 16 Abs. 3 GSiFoG),
gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG) und gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG,
soweit durch § 434j Abs. 2S. 2 SGB III einem Selbständigen, der vor dem 01. Januar 2004 seine Selbständigkeit aufgenommen hat und einen Antrag auf Aufnahme in diese Versicherung zwischen dem 01. Juni 2006 (Dritte Lesung des Gesetzes) und dem 20. Juli 2006 (Verkündung des Gesetzes) gestellt hat, die Zugangsmöglichkeit für die freiwillige Arbeitslosenversicherung nach § 28a SGB III rückwirkend genommen wird,
weil der Gesetzgeber durch § 434j Abs. 2S. 2 SGB III das diesem Selbständigen nach bisheriger Rechtslage in einer Übergangsvorschrift gewährte Zeitfenster vom 01. Februar 2006 bis 31. Dezember 2006 rückwirkend auf den Zeitraum vom 01. Februar 2006 bis 31. Mai 2006 verkürzt hat?
4. Neuer Termin wird durch den Vorsitzenden von Amts wegen nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestimmt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Aufnahme des Klägers in die freiwillige Arbeitslosenversicherung seit dem 18. Juli 2006.
Der Kläger, Jahrgang 1960, wurde nach Insolvenz seines Arbeitgebers am 01. Mai 2002 arbeitslos. Am 01. November 2002 machte er sich als IT-Consultant selbständig. Er hatte in den zwölf Monaten vor Aufnahme der Selbständigkeit Arbeitslosengeld, Insolvenzgeld bezogen bzw. befand sich in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis.
Mit § 28a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III, eingefügt durch Art. 1 Nr. 20 des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (sog. "Hartz III") vom 23.12.2003 (BGBl I, 2848, 2853 f.), räumte der Gesetzgeber u. a. Selbstständigen unter bestimmten Voraussetzungen ab dem 01.02.2006 erstmals die Möglichkeit ein, sich freiwillig in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung zu versichern. Der Antrag musste gemäß § 28a Abs. 2 S. 2 SGB III - grundsätzlich - innerhalb von einem Monat nach der Aufnahme der Selbständigkeit gestellt werden. § 434j Abs. 2 S. 1 SGB III - ebenfalls eingefügt durch Art. 1 Nr. 249 des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I, 2848, 2885) modifizierte diese Regelung dahingehend, dass § 28a Abs. 2 SGB III mit der Maßgabe gilt, dass ein Antrag auf freiwillige Arbeitslosenversicherung ungeachtet der Voraussetzungen des § 28a Abs. 2 S. 2 SGB III bis zum 31.12.2006 gestellt werden kann. In der Gesetzesbegründung zu § 434j Abs. 2 S. 1 SGB III ist hierzu Folgendes ausgeführt: “Die Regelungen zur freiwilligen Weiterversicherung treten mit Wirkung vom 1. Februar 2006 in Kraft. Personen, die zu diesem Zeitpunkt den Tatbestand für die Versicherungspflicht dem Grunde nach erfüllen, könnten aufgrund der Antragsfrist des § 28a Abs. 2 Satz 2 gleichwohl von der Möglichkeit zur freiwilligen Weiterversicherung ausgeschlossen sein. Die Regelung eröffnet den Betroffenen die Möglichkeit, die freiwillige Weiterversicherung bis Ende des Jahres 2006 zu beantragen.„ (BT-Drs. 15/1515, S. 111f.).
Anfang 2006 las der Kläger im Internet von der Möglichkeit einer freiwilligen Arbeitslosenversicherung bis zum 31. Dezember 2006. Sein Antrag auf Aufnahme in die selbständige Arbeitslosenversicherung ab dem 01. Juli 2006 ging beim Beklagten am 18. Juli 2006 ein.
Am 20. Juli 2006 wurde das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 - GSiFoG (BGBl I, 1706) im Bundesgesetzblatt verkündet. Durch Art. 2 Nr. 9 GSiFoG (BGBl I, 1706, 1717) wurde in § 434j Abs. 2 SGB III ein Satz 2 mit folgendem Wortlaut angefügt:
“Stellt eine Person, deren Tätigkeit gemäß § 28a S. 1 Nr. 2 SGB III zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigt, den Antrag nach dem 31. Mai 2006, gilt Satz 1 (Ergänzung des Gerichts: des § 434j Abs. 2 SGB III) mit der Einschränkung, dass die Tätigkeit nach dem 31. Dezember 2003 aufgenommen worden sein muss.„
Diese Regelung trat gemäß Art. 16 Abs. 3 GSiFoG mit Wirkung zum 01.06.2006 in Kraft. Sie war weder im Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD vom 09. Mai 2006 (BT-Drucks. 16/1410) enthalten, noch Gegenstand der Anhörung im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales am 29. Mai 2006. Sie wurde vielmehr erst auf Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 31.05.2006 als Art. 2 Nr. 7 in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht (BT-Drs. 16/1696). In der Beschlussvorlage ist zur Begründung ausgeführt, durch die Regelung solle für die antragsberechtigten Personenkreise der selbstständig Tätig...