Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung. Beatmung mit High-Flow-Nasenkanülen bei Säuglingen
Leitsatz (amtlich)
Die rechtspolitische Frage, ob HFNC der CPAP in den Kodierrichtlinien gleichstellt werden sollte, ist der Selbstverwaltung im Rahmen der jährlichen Verhandlungen vorbehalten (entgegen LG Dortmund vom 3.3.2016 - 2 O 400/14).
Orientierungssatz
Die Dauer der Beatmung mit High-Flow-Nasenkanülen (HFNC) bei Säuglingen zählt bei der Berechnung der Krankenhausvergütung nicht zur Beatmungszeit.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 16.943,35 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anspruch auf weitere Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung in Höhe von 16.943,35 Euro nebst Zinsen durch Streichung von Beatmungsstunden.
Die Klägerin ist Trägerin eines Klinikums in W (nachfolgend: Klinik). Die Beklagte ist die gesetzliche Krankenversicherung der Patientin M.M. (nachfolgend: Versicherte). Die Versicherte wurde nach ihrer zu frühen Geburt am 24. August 2015 bis zum 9. November 2015 stationär in der Klinik behandelt. Sie wurde wegen respiratorischer Insuffizienz noch im Operationssaal binasal intubiert und die Beatmung mit CPAP (Bl. 314 d. Gerichtsakte - GA) unterstützt. Sie wurde als Frühchen mit Beatmungsbedarf unmittelbar in die neonatologische Intensivmedizin aufgenommen (vgl. Bl. 262 d. GA - GA) und bis zum zwölften Lebenstag, d.h. bis zum 4. September vormittags, insgesamt 273 Stunden lang via CPAP (continuous positive airway pressure) künstlich beatmet. Bei dieser Beatmungsform wird der Patient über ein Schlauchsystem mit einem Beatmungsgerät verbunden. Im Schlauchsystem und nachfolgend in den Atemwegen und Lungenbläschen wird ein Druck erzeugt, der über dem atmosphärischen Druck liegt. Der Überdruck erleichtert das Einatmen, verstärkt den Atem also. Dieser höhere Druck liegt im Beatmungssystem kontinuierlich vor. Der Aufbau von Überdruck setzt zumindest eine im Beatmungsbereich geschlossene Maske voraus.
Vom 16. September bis 1. Oktober 2015 erfolgten 361 Beatmungsstunden mit High-Flow-Nasenkanülen (HFNC). Bei der nicht invasiven Beatmungsmethode HFNC wird Sauerstoff oder ein Luft-Sauerstoffgemisch über kleine, dünne Sonden in die Nasenlöcher verabreicht.
Am 2. Dezember 2015 stellte die Klägerin der Beklagten auf Grundlage der DRG P03A (Neugeborenes, Aufnahmegewicht 1000 - 1499 g mit signifikanter OR-Prozedur oder Beatmung ≫ 95 Stunden, mit mehreren schweren Problemen oder mehrzeitigen komplexen OR-Prozeduren, mit Beatmung ≫ 479 Stunden), 633 Beatmungsstunden und einer Verweildauer von 77 Tagen 72.003,54 Euro in Rechnung. Die Rechnung wurde zunächst bezahlt.
Die Beklagte leitete ein Prüfverfahren beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Der MDK kam in einem Gutachten vom 19. Januar 2016 zum Ergebnis, dass 273 Stunden CPAP-Beatmung notwendig waren und kodiert werden könnten. Die HFNC-Beatmung sei notwendig. Der MDK berücksichtigte sie aber nicht bei der Beatmungsdauer.
Die Beklagte berechnete bei der Krankenhausvergütung ohne die HFNC-Beatmungsstunden einen um 16.943,35 Euro niedrigeren Betrag.
Die Beklagte teilte der Klägerin am 21. März 2016 mit, dass sie den Betrag aufgerechnet habe. Es handelt sich hierbei um eine Sammelaufrechnung mit Behandlungen aus 13 anderen Behandlungsfällen (auf die Anlage zur Niederschrift wird verwiesen), die nach Angaben der Beklagten am 16. Juni 2016 und nach Angaben der Klägerin am 12. August 2016 vollzogen wurde.
Die Klägerin widersprach mit Schreiben vom 5. April 2016. Die HFNC-Beatmung sei der CPAP-Beatmung gleichzusetzen. Dies habe zwischenzeitlich das Landgericht Dortmund im Urteil vom 3. März 2016 (2 O 400/14) entschieden.
Die Klägerin legte am 28. April 2016 eine Storno-Rechnung vor, in der sie den Kode OPS 2015 8-711.4 (Maschinelle Beatmung und Atemunterstützung bei Neugeborenen und Säuglingen: Atemunterstützung durch Anwendung von High-flow-Nasenkanülen (HFNC-System)) nacherfasste.
Der MDK bestätigte seine Auffassung im Gutachten vom 25. Mai 2016. Die HFNC-Beatmung sei nicht mit der CPAP vergleichbar. Der bei der HFNC aufgebaute Druck sei nicht regulierbar, anders bei der CPAP.
Am 21. September 2016 erhob die Klägerin Klage. Sie trägt vor, durch die Benennung der HFNC in der OPS-Subkategorie 8-711 (Maschinelle Beatmung und Atemunterstützung bei Neugeborenen und Säuglingen) sei HFNC und CPAP gleichgestellt. HFNC falle auch unter die Definition von CPAP in 1001 der Deutschen Kodierrichtlinien 2015.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 16.943,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 16. Juli 2016 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf das Ergebnis der MDK-Gutachten und legt einen Gerichtsbescheid des SG Chemnitz vom 29. Februar 2016 (S 38 KR 82/15) vor.
Wegen der übrigen Einzelheiten des Sachve...