Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Schadensfeststellungskompetenz der Prüfgremien bei unzulässigen Verordnungen
Orientierungssatz
1. Die Regelung des § 48 Abs 1 BMV-Ä ist dahingehend zu interpretieren, dass den Prüfgremien eine Schadensfeststellungskompetenz in solchen Fallgruppen zugewiesen ist, in denen die unzulässige Verordnung von Leistungen in Rede steht und sie nicht bereits (unmittelbar) Gegenstand der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB 5 ist. Mithin geht es um Verordnungen, bei denen Fehler in Frage stehen, welche die Art und Weise ihrer Ausstellung betreffen. Aus welchem Rechtsgrund die Verordnung unzulässig ist, ist dabei ohne Bedeutung (vgl BSG vom 29.6.2011 - B 6 KA 16/10 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 31).
2. Bei der Frage des Erfordernisses und des Vorhandenseins eines Abrechnungs- und/oder Überweisungsscheines geht es eindeutig um einen Umstand, der die Art und Weise der Ausstellung der Verordnung betrifft. Dies gilt auch für die Fälle, in denen der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung problematisch ist.
3. Im Rahmen der Abgrenzung der §§ 48 und 49 BMV-Ä ist der Verordnungsbereich abschließend in § 48 BMV-Ä geregelt.
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
3. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs der Klägerin gegen den Beklagten.
Die Klägerin ist die ...-kasse ..., eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sowie gesetzliche Krankenkasse (Primärkasse). Der Beklagte war bis Ende Februar 2007 der Chefarzt der Medizinischen Klinik des St. M... und St. A...-krankenhauses in L... Er nahm aufgrund einer Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Die Beigeladene ist die bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz errichtete Schlichtungsstelle.
Unter dem Namen des Beklagten wurden am 26.01.2007 drei Verordnungen für den bei der Klägerin versicherten A... A... ausgestellt. Eine Verordnung ist nicht unterschrieben, zwei Verordnungen tragen die Unterschrift des Oberarztes Dr. S... Am 08.08.2007 wurde eine Verordnung auf die bei der Klägerin versicherte ... T... ausgestellt. Die Verordnung erfolgte unter dem Namen von Dr. M..., wobei bei den auf den Verordnung aufgedruckten Daten die Arztnummer des Klägers verwendet wurde. Bei dieser Verordnung fehlt es nach Angaben der Klägerin zudem an einem Abrechnungs- oder Überweisungsschein. Für drei weitere Verordnungen zu Lasten der Klägerin gibt diese ebenfalls das Fehlen eines Abrechnungs- oder Überweisungsscheines an. Diese Verordnungen wurden jeweils unter dem Namen des Beklagten ausgestellt und von diesem unterschrieben. Es handelt sich hierbei um Verordnungen vom 28.03.2003 (H... M...), vom 08.07.2005 (H... H...) und vom 30.11.2006 (H... O...).
Die Klägerin hat am 17.12.2007 die Beigeladene angerufen zwecks Feststellung eines Schadensersatzanspruchs gegen den Kläger. Das Schlichtungsverfahren ist bislang nicht abgeschlossen.
Am 18.12.2009 hat die Klägerin Leistungsklage erhoben mit dem Antrag, den Beklagten zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 32.741,84 € nebst Zinsen an sie zu zahlen. Am 12.04.2011 hat die Klägerin ihren Antrag auf 13.206,30 € reduziert. Am 16.12.2011 hat die Klägerin ihren Antrag nochmals reduziert. Sie macht nunmehr einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 477,72 € geltend in Bezug auf die oben genannten sieben Verordnungen.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Klage trotz des noch anhängigen Schlichtungsverfahrens zulässig ist. Das Schlichtungsverfahren sei keine Zulässigkeitsvoraussetzung der vorliegenden Klage. Die Klageerhebung sei wegen einer drohenden Verjährung erfolgt.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz aufgrund von Verstößen des Klägers gegen vertragsärztliche Pflichten begründet ist. Die Klägerin habe aufgrund des Verhaltens des Beklagten Kosten erstattet, die sie aufgrund von fehlerhaft ausgestellten Verordnungen nicht hätte erstatten müssen.
Bei vier der genannten Verordnungen liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung vor. Die Verordnungen seien nicht vom Beklagten unterschrieben worden. Ein Vertragsarzt habe die vertragsärztliche Tätigkeit grundsätzlich persönlich auszuüben. Eine Vertretung sei nur unter den Voraussetzungen des § 32 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte möglich, z.B. bei Krankheit oder Urlaub. Urlaubszeiten seien im Fall der vier Verordnungen nicht gemeldet worden. Hieraus sei der Klägerin ein Schaden in Höhe von 105,57 € entstanden.
Bei vier der genannten Verordnungen seien diese ausgestellt worden, ohne Vorliegen des erforderlichen Abrechnungs- oder Überweisungsscheines. Verordnungen dürften nur dann ausgestellt werden, wenn auch ein entsprechender Schein vorliege. Der Beklagte sei nur “auf Überweisung niedergelassener ...