Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Rückerstattung zu Unrecht erstatteter Kosten von Sozialhilfeleistungen für aus dem Ausland übergetretene Hilfebedürftige. Fehlen einer rechtlichen Verpflichtung. Kostenerstattungspflicht gem § 108 BSHG. Übergangsregelung des § 147 BSHG

 

Orientierungssatz

1. Ein örtlicher Sozialhilfeträger ist gem § 112 SGB 10 zur Rückerstattung zu Unrecht erstatteter Kosten von Sozialhilfeleistungen an den überörtlichen Sozialhilfeträger verpflichtet, wenn es an einer rechtlichen Verpflichtung zur Kostenerstattung fehlt.

2. Eine Verpflichtung zur Kostenerstattung ergibt sich nicht aus § 108 Abs 1 S 3 BSHG in der ab 1.1.1994 geltenden Fassung (nF), wenn ein Hilfebedürftiger im Geltungsbereich des BSHG geboren ist.

3. Eine Kostenerstattungspflicht ergibt sich auch nicht aus § 108 BSHG aF iVm § 147 BSHG in der ab 1.1.1994 geltenden Fassung. Ein Kostenerstattungsanspruch bestand auch in den Fällen, in denen - wie hier - Sozialhilfe für im Geltungsbereich des BSHG geborene Personen erbracht wurde. Die in § 147 BSHG enthaltene Übergangsregelung ist nicht dahingehend auszulegen, dass eine Fortgeltung des § 108 BSHG aF für Fälle, in denen bereits vor diesem Zeitpunkt eine Kostenerstattung stattfand, bestimmt wird (Anschluss an VGH München vom 8.7.2004 - 12 B 00.1392 = FEVS 56, 158, vgl SG Köln vom 23.4.2008 - S 21 SO 264/06 und SG Leipzig vom 26.2.2008 - S 6 SO 173/05).

4. Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundessozialgerichts: Nachdem die Klage vor dem BSG zurückgenommen wurde, ist dieses Urteil wirkungslos.

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.589,06 Euro zu erstatten.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

3. Die Berufung wird zugelassen.

4. Der Streitwert wird auf 7.589,06 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rückerstattung von Kosten, die der Kläger als überörtlicher Träger der Sozialhilfe der Beklagten erstattet hat und die diese im Rahmen der Gewährung von Sozialhilfe an Herrn R W sowie dessen Tochter B aufgewandt hatte.

Der 1964 in K geborene R W reiste nach einem längeren Auslandsaufenthalt (ca. vier Jahre) in Frankreich am 13.12.1992 mit seiner 1991 geborenen Tochter E W in die Bundesrepublik Deutschland ein. Zum Zeitpunkt des Wiedereintritts in das Bundesgebiet verfügten Herr W und seine Tochter weder in Frankreich noch im Geltungsbereich des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) über einen gewöhnlichen Aufenthalt. Am 21.12.1992 beantrage Herr W Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Bestimmungen des BSHG, die ihm sodann seitens der Beklagten gewährt wurde.

Mit Schreiben vom 04.02.1993 beantragte die Beklagte bei dem Kläger Kostenerstattung gem. § 108 BSHG. Mit Schreiben vom 26.05.1993 erkannte der Kläger die Kostenerstattungspflicht gem. § 108 BSHG für die vorgenannten Personen ohne Krankenhilfekosten für B W ab dem 21.12.1992 an.

Die Beklagte wies mit Schreiben vom 13.03.1995 darauf hin, dass seit dem 20.04.1994 auch Krankenhilfekosten an B W geleistet würden und machte daher gem. § 108 BSHG auch Kostenerstattung für die Sozialhilfeaufwendungen im Rahmen der Krankenhilfe i. S. v. § 37 BSHG geltend. Eine entsprechende Kostenzusage wurde von dem Kläger mit Schreiben vom 21.03.1995 erteilt.

B W stand bis April 2001 im laufenden Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG, für R W sind bis zum 30.11.2001 entsprechende Kosten entstanden. Die Hilfebedürftigkeit endete durch seinen Tod.

Mittels eines Rundschreibens vom 22.08.2005 (Nr. 35/2005) teilte der Kläger u. a. der Beklagten unter Berufung auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) München vom 08.07.2004 (Az.: 12 B 00.1392) mit, dass § 147 BSHG nicht dahingehend auszulegen sei, dass in Fällen, in denen bereits vor dem 01.01.1994 die Anspruchsvoraussetzungen des § 108 BSHG erfüllt gewesen seien, § 108 BSHG in der vor dem 01.01.1994 geltenden Fassung weiter gelte. Mit Schreiben vom 24./29.11.2005 wies er ergänzend darauf hin, dass für die ab dem 01.01.1994 angefallenen Kosten von Sozialhilfeleistungen für Personen, die im Geltungsbereich des BSHG geboren sind, daher generell kein Erstattungsanspruch mehr bestehe. Aus diesem Grund würden die zu Unrecht erstatteten und gem. § 113 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) noch nicht verjährten Leistungen gem. § 112 SGB X zurückgefordert. Gleichzeitig wurde um die Erklärung eines Verzichts auf die Einrede der Verjährung gebeten.

Mit Datum vom 12.12.2005 verzichtete die Beklagte gegenüber dem Kläger auf die Einrede der Verjährung in den Fällen, in denen im Jahr 2001 Kostenerstattungen nach § 108 BSHG geleistet wurden, erkannte die Rückerstattungspflicht gem. § 112 SGB X jedoch nicht an. Zudem legte die Beklagte eine Übersicht vor, wonach im Fall R und B W im 1. Halbjahr 2001 insgesamt 1.134,00 Euro und im 2. Halbjahr 2001 insgesamt 6.455,06 Euro abgerechnet worden seien.

Der Kläger verlangte mit Schreiben vom 30.10.2008 erneut die Rückerstattung der erbrachten Leistungen.

Am 02.12.2008 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) M...

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