Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Fallzusammenführung. Rechtsfigur des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens. Wirtschaftlichkeitsvorbehalt bezieht sich nur auf den jeweiligen Behandlungsfall
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn die Voraussetzungen für eine Fallzusammenführung nach der jeweils geltenden Fallpauschalenvereinbarung (FPV) nicht vorliegen, kommt eine entsprechende Minderung des Vergütungsanspruchs auf Grund "fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens" nicht in Betracht (Entgegen BSG vom 1.7.2014 - B 1 KR 62/12 R = SozR 4-2500 § 12 Nr 4).
2. Die vom BSG entwickelte Rechtsfigur des "fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens" stellt eine Abrechnungsbestimmung dar, die weder eine gesetzliche noch eine vertragliche Grundlage hat.
3. Der auf den Behandlungsanspruch des Versicherten bezogene Wirtschaftlichkeitsvorbehalt des § 12 Abs 1 S 2 SGB 5 bezieht sich nur auf den jeweiligen Behandlungsfall.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 1.374,46 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 22.12.2010 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 1.374,46 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Zahlung einer Krankenhausvergütung.
Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Patient befand sich zunächst vom 04.08.2008 bis zum 06.08.2008 bei der Klägerin in stationärer Behandlung. Einweisungsdiagnose war "Bösartige Neubildung: Hypopharynx, mehrere Teilbereiche überlappend" (C13.8). Bei dem Patienten kam es nach Chemotherapie zu einem Residualtumor im Bereich des rechten Sinus piriformis. Im Rahmen des Aufenthalts vom 04.08.2008 bis zum 06.08.2008 wurde u.a. eine Mikrolaryngoskopie mit Gewebeprobeentnahme durchgeführt. Hierbei zeigte sich auf der lateralen Pharynxwand ein kleines Areal mit unruhiger Schleimhaut. Die histologische Untersuchung ergab eine mäßig- bis schwergradige Dysplasie der Plattenepithelien ohne strominvasives Wachstum. Dem Patienten wurde auf Grund dessen eine Wiederaufnahme zur laserchirurgischen Entfernung dieser Läsion geraten. Für diesen stationären Aufenthalt stellte die Klägerin der Beklagten unter dem 14.08.2008 auf Basis der DRG D60C (Bösartige Neubildungen an Ohr, Nase, Mund und Hals, ein Belegungstag oder ohne äußerst schwere oder schwere CC; obere Grenzverweildauer: 10 Tage) einen Betrag von 1.763,43 Euro in Rechnung.
Am 13.08.2008 wurde der Patient wieder aufgenommen und verblieb bis zum 23.08.2008 in stationärer Behandlung bei der Klägerin. Bei diesem Aufenthalt wurde eine Tumorresektion durchgeführt. Der pathologische Befund ergab ein mäßig differenziertes Plattenepithelkarzinom. Für diesen stationären Aufenthalt stellte die Klägerin der Beklagten unter dem 28.08.2008 auf Basis der DRG D12B (Andere Eingriffe an Ohr, Nase, Mund und Hals) einen Betrag von 2.382,50 Euro in Rechnung.
Die Beklagte zahlte beide Rechnungen zunächst vollständig, beauftragte aber dann den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Hessen mit der Überprüfung der Abrechnung. Hierbei stellte die Beklagte folgende Fragen:
“Wären Diagnostik und OP aus medizinischer Sicht innerhalb eines stationären Aufenthaltes möglich gewesen?
War die stationäre Behandlung bei Entlassung am 06.08.2008 aus medizinischer Sicht abgeschlossen?
War zu diesem Zeitpunkt die erneute Aufnahme zum 13.08.2008 bereits geplant?
Erfolgte vom 06.08. bis zum 13.08.2008 eine Beurlaubung nach Hause, da im Zwischenzeitraum der beiden stationären Behandlungen keine stationäre Behandlungsnotwendigkeit vorlag?„
Mit Schreiben vom 14.04.2009 stellte der MDK Hessen den HNO-Facharzt und Sozialmediziner Herrn B. fest, dass Diagnostik und Operation aus medizinischer Sicht durchaus innerhalb eines stationären Aufenthaltes möglich gewesen wäre. Die stationäre Behandlung sei bei Entlassung am 06.08.2008 erkennbar noch nicht abgeschlossen gewesen und es sei bereits zu diesem Zeitpunkt die erneute Aufnahme zum 13.08.2008 geplant gewesen. Im Zeitraum zwischen den beiden stationären Behandlungen habe tatsächlich keine stationäre Behandlungsnotwendigkeit vorgelegen. Inwiefern dies mit dem Begriff der "Beurlaubung" in Verbindung zu bringen sei, erfordere eine eher leistungsrechtliche Beurteilung.
Mit Schreiben vom 16.04.2009 forderte die Beklagte die Klägerin zur Rückerstattung eines Betrags von 1.374,46 Euro auf.
Mit Schreiben vom 07.07.2009 widersprach die Klägerin diesem Ansinnen. Hierzu führte sie aus, dass es sich um zwei abgeschlossene Aufenthalte gehandelt habe. Bei der Diagnostik während des ersten Aufenthalts sei eine darauffolgende Tumorresektion nicht notwendigerweise geplant gewesen. Diese sei erst in Folge des histologischen Ergebnisses erforderlich gewesen. Bei Tumorerkrankungen sei eine solche sequenzielle Behandlung die Regel.
Unter dem 14.09.2009 nahm der MDK Hessen erneut zur Abrechnung Stellung und führte aus, dass schon während des ersten Aufenthalts die Notwendigkeit einer Resekt...