Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Kodierung. OPS 2010 Nr 8-800 (Transfusion von Vollblut, Erythrozytenkonzentrat und Thrombozytenkonzentrat). Abrechnungsvorschriften für Apharese- (ATK) und Pool-Thrombozytenkonzentrat (PTK). Prüfung der Gleichwertigkeit im Einzelfall. gerichtliche Entscheidung muss auf aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft aufbauen. Einschätzung des Paul Ehrlich Instituts richtungsweisend. kein Verstoß gegen Wissenschaftsfreiheit
Leitsatz (amtlich)
1. Ob eine Gleichwertigkeit von Apharese- (ATK) und Pool-Thrombozytenkonzentrat (PTK) im Einzelfall der Behandlung eines Versicherten vorliegt, ist eine rechtliche Frage, die der gerichtlichen Entscheidung zugänglich ist. Das Gericht muss sachlich bei der Entscheidung auf den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft aufbauen. In einer bestehenden wissenschaftlichen Kontroverse kommt für eine gerichtliche Entscheidung besonderes Gewicht der Stellungnahme der Institutionen zu, die vom Gesetzgeber für die Aufbereitung und Einschätzung von Risiken der Blutprodukte berufen sind. Vorliegend richtungsweisend ist die Einschätzung des Paul Ehrlich Instituts.
2. Das Paul Ehrlich Institut hat ATK und PTK als Blutprodukte zugelassen. Es ist der Auffassung, dass diese grundsätzlich bis auf wenige Ausnahmefälle gleichwertig und mit gleichem Behandlungserfolg eingesetzt werden können. PTK ist nicht indiziert bei
- Chronisch-transfusionspflichtigen Patienten bei Vorliegen hämatologisch-onkologischer Grunderkrankung,
- Transfusionspflichtigen Kindern,
- Boosterung zB im Rahmen von Schwangerschaften
- Vortransfusionen
- Transplantationen
- Antigene auf Leukozyten
- Antigene auf Thrombozyten.
3. Die Abrechnungsvorschriften für ATK und PTK sind geeignet, die Wissenschaftsfreiheit aus Art 5 Abs 3 S 1 des Grundgesetzes (GG) zu berühren; ein Verstoß liegt aktuell nicht vor.
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 919,90 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Anspruch auf weitere Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung in Höhe von 919,90 Euro nebst Zinsen seit dem 24. September 2010 durch Änderung eines Zusatzentgelts.
Die Klägerin ist eine UK. (nachfolgend: Klinik). Die Beklagte ist die gesetzliche Krankenversicherung des 55-Jährigen Patienten H.D., geb. Oktober 1955 (nachfolgend: Versicherter). Der Versicherte wurde vom 23. Mai 2010 bis 1. Juni 2010 stationär in der Klinik behandelt. Die Aufnahme erfolgte geplant. Die Operation wurde am 24. Mai 2010 durchgeführt. Dabei erfolgte Transfusion von zwei Apherese-Thrombozytenkonzentrateinheiten (ATK). Thrombozyten-Konzentrat ist aus menschlichem Blut gewonnenes medizinisches Medizinprodukt. Mit ihm erhalten Patienten mit Mangel Blutplättchen (Thrombozyten), die eine wichtige Rolle für die Blutgerinnung spielen.
Am 7. Juni 2010 stellte die Klägerin der Beklagten auf Grundlage der DRG F06F (Koronare Bypass-Operation ohne mehrzeitige komplexe OR-Prozeduren, ohne komplizierende Konstellation, ohne Karotiseingriff, ohne invasive kardiologische Diagnostik, ohne intraoperative Ablation) und einer Verweildauer von 9 Tagen 12.906,10 Euro (inkl. 100 Euro Zuzahlung) in Rechnung. In der Rechnung waren neben der Hauptdiagnose ICD-10 GM 2010 I21.4 (Akuter subendokardialer Myokardinfarkt) die Nebendiagnosen ICD 10-GM 2010-Kodes I50.12 (Linksherzinsuffizienz: Mit Beschwerden bei stärkerer Belastung), E78.5 (Hyperlipidämie, nicht näher bezeichnet), I10.00 (Benigne essentielle Hypertonie: Ohne Angabe einer hypertensiven Krise), D62 (Akute Blutungsanämie), E87.6 (Hypokaliämie), D69.58 (Sonstige sekundäre Thrombozytopenien, nicht als transfusionsrefraktär bezeichnet), D68.4 (Erworbener Mangel an Gerinnungsfaktoren), E66.00 (Adipositas durch übermäßige Kalorienzufuhr: Body-Mass-Index [BMI] von 30 bis unter 35), I25.5 (Ischämische Kardiomyopathie) und I25.13 (Atherosklerotische Herzkrankheit: Drei-Gefäßerkrankung) kodiert. Als Prozeduren waren die OPS-2010-Kodes 5-361.13 (Anlegen eines aortokoronaren Bypass: Bypass zweifach: Mit autogenen Arterien), 8-980.0 (Intensivmedizinische Komplexbehandlung (Basisprozedur): 1 bis 184 Aufwandspunkte), 8-931.0 (Monitoring von Atmung, Herz und Kreislauf mit Messung des zentralen Venendruckes: Ohne kontinuierliche reflektionsspektrometrische Messung der zentralvenösen Sauerstoffsättigung), 8-831.0 (Legen und Wechsel eines Katheters in zentralvenöse Gefäße: Legen), 8-810.0 (Transfusion von Plasma und Plasmabestandteilen und gentechnisch hergestellten Plasmaproteinen: Plasma, 1-5 TE), 8-800.90 (Transfusion von Vollblut, Erythrozytenkonzentrat und Thrombozytenkonzentrat: Apherese-Thrombozytenkonzentrat: 2 Apherese-Thrombozytenkonzentrate) und 8-800.c0 (Transfusion von Vollblut, Erythrozytenkonzentrat und Thrombozytenkonzentrat: Erythrozytenkonzentrat: 1 TE bis unter 6 TE) kodiert.
Das Groupin...