Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. Nothilfe. Abgrenzung des Nothelferanspruchs vom Anspruch des Hilfebedürftigen. Antragstellung. angemessene Frist. analoge Anwendung des § 19 Abs 6 SGB 12

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine analoge Anwendung des § 19 Abs 6 SGB XII auf das AsylbLG ist nicht möglich.

2. Ein Antrag im Sinne des § 6a AsylbLG muss mehr als eine bloße Aufnahmeanzeige umfassen, sondern das Verlangen, eine Sozialleistung in Anspruch zu nehmen, hinreichend deutlich machen.

 

Orientierungssatz

1. Das Exklusivitätsverhältnis zwischen dem Anspruch des Nothelfers und dem des Hilfebedürftigen gilt auch für § 6a AsylbLG: Sobald der Leistungsträger Kenntnis von der Hilfebedürftigkeit hat, setzt der Anspruch des Hilfebedürftigen ein, der dann einen Anspruch des Nothelfers ausschließt.

2. Für die Antragstellung nach § 6a AsylbLG ist eine Frist von einem Monat als angemessen zu betrachten, die regelmäßig mit dem Ende des Eilfalles beginnen wird (vgl BSG vom 23.8.2013 - B 8 SO 19/12 R = BSGE 114, 161 = SozR 4-5910 § 121 Nr 1, RdNr 28).

 

Tenor

1.Die Klage wird abgewiesen.

2.Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Kostenübernahme für eine stationäre Behandlung der Asylbewerberin M. vom 26. April 2017 bis 23. Mai 2017 in Höhe von 6.985,08 €.

Frau M. war ghanaische Staatsangehörige und wurde am 21. April 2017 um 11:58 Uhr durch die Klägerin wegen einer bösartigen Neubildung: Leber; nicht näher bestimmt, aufgenommen.

Durch Schreiben vom 26. April 2017 teilte die Klägerin dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit, dass Frau M. sich am 21. April 2017 vorgestellt habe und sich derzeit in vollstationärer Behandlung befinde. Am gleichen Tag stellte sie für Frau M. einen Asylerstantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Zudem übersandte die Klägerin am darauffolgenden Tage der Stadtverwaltung Mainz per Fax eine Aufnahmeanzeige der Patientin.

Am 23. Mai 2017 verstarb die Patientin in den Räumlichkeiten der Klägerin.

Durch Schreiben vom 22. Juni 2017 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Kostenübernahme für die Behandlung der Patientin.

Hierauf entgegnete diese zunächst, eine Zuständigkeit sei nicht gegeben, da die Patientin durch die Ausländerbehörde nicht zugewiesen sei.

Den Antrag der Klägerin lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 8. August 2017 ab. Zur Begründung führte sie aus, der Antrag sei unverzüglich innerhalb von 24 Stunden beim zuständigen Kostenträger zu stellen. Die Aufnahmeanzeige sei erst am 22. Juni 2017 und damit nicht unverzüglich zugesandt worden.

Durch E-Mail vom 10. Oktober 2017 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass die Patientin sich unter falscher Versichertenkarte bei ihr vorgestellt habe. Entsprechende Kenntnis habe man erst am 26. April 2017 erlangt, noch am selben Tag einen Asylantrag gestellt und diesen zugefaxt.

Am 30. November 2017 erhob die Klägerin zunächst eine echte Leistungsklage beim Sozialgericht Mainz (Az. S 11 AY 4/17) zur Zahlung von 6.985,08 € zuzüglich Zinsen. Zur Begründung führte sie aus, dass sie die Patientin in einem Eilfall nach § 4 AsylbLG behandelt habe. Nach Stellung des Asylantrages sei sie ab dem 26. April 2017 als Asylbewerberin zu behandeln. Die Patientin sei akut wegen eines Lebertumors sowie Schmerzzuständen hieraus in vollstationärer Behandlung gewesen. Es komme nicht darauf an, dass der Antrag zuerst beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gestellt worden sei. Das Wissen des Bundesamtes habe die Beklagte sich zurechnen zu lassen. Die Beklagte sei ab Kenntnisnahme vom Asylantrag ab dem 26. April 2017, also 27 Belegungstagen, hinweg zur Kostenübernahme verpflichtet.

In Rahmen dieses Verfahrens schlossen die Beteiligten einen Vergleich, dass die Beklagte die Klageschrift als Widerspruch gegen den Bescheid vom 8. August 2017 auslegen und hierüber einen rechtsmittelfähigen Widerspruchsbescheid erlassen wird.

Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2018 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass aufgrund der Schmerzzustände infolge des Lebertumors zwar eine Notfallsituation, die Eilfallsituation jedoch nur solange vorliege, wie eine rechtzeitige Leistung durch den Sozialhilfeträger nicht zu erlangen gewesen sei. Die Patientin sei aber am 21. April 2017 zur Klägerin verlegt worden. Somit habe spätestens am Montag, den 24. April 2017 eine tatsächliche Dienstbereitschaft vorgelegen und es hätte eine Information an den Sozialhilfeträger zu diesem Zeitpunkt erfolgen können. Dies sei jedoch nicht geschehen. Selbst wenn man annehme, dass die Anzeige an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ihr, der Beklagten, zuzurechnen sei, sei diese auch erst am 26. April 2017 und damit nach dem 24. April 2017 erfolgt. Auch ein Anspruch aus abgetretenem Recht aus § 4 AsylbLG bestehe nicht.

Mit ihrer am 31. Juli 2018 beim Sozialgericht Mainz eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ...

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