Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Medizinischer Dienst der Krankenkassen (MDK) Rheinland-Pfalz. Satzungsregelung. Abwahl eines Geschäftsführers. Verwaltungsakt. Bekanntgabe. Begründung. Überprüfung. Vorverfahren. Sozialrechtsweg. Kombination von Nichtigkeitsfeststellungsklage im Hauptantrag, isolierter Anfechtungsklage im Hilfsantrag und Untätigkeitsklage im Hilfshilfsantrag. Gebot des effektiven Rechtsschutzes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Abwahl eines MDK-Geschäftsführers kann in der Satzung des MDK geregelt werden und erfolgt in der Rechtsform eines Verwaltungsakts, gegen den der Widerspruch möglich ist. Die Abwahlentscheidung des beim MDK Rheinland-Pfalz dazu berufenen Verwaltungsrats, die Bekanntgabe an den Amtswalter sowie nachträgliche Erweiterungen der Begründung und deren Bekanntgabe bilden rechtlich eine Einheit.

2. Für die Überprüfung des Abwahl-Verwaltungsakts ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten und für die Kündigung des mit dem Amt korrespondierenden Dienstvertragsverhältnisses ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten umfasst nicht die Überprüfung, ob Beschlüsse des Verwaltungsrats betreffend die Kündigung nichtig sind.

3. Zu den Anforderungen an eine Klage nach § 55 Abs 1 Nr 4 SGG auf Feststellung der Nichtigkeit der Abwahl.

4. Werden als Klägerbegehren eine Nichtigkeitsfeststellungsklage im Hauptantrag, eine isolierte Anfechtungsklage im Hilfsantrag und eine Untätigkeitsklage im Hilfshilfsantrag zum gleichen Verwaltungsakt kombiniert, entspricht es prozessual dem Gebot effektiven Rechtsschutzes auf der Ebene des Hilfsantrags das Verfahren nicht wegen eines nicht abgeschlossenen Vorverfahrens auszusetzen sondern die isolierte Anfechtungsklage abzuweisen um auf der Ebene des Hilfshilfsantrags die Untätigkeitsklage zu entscheiden. Ein Teilurteil betreffend des Hauptantrags kommt wegen des unteilbaren Streitgegenstandes nicht in Betracht.

5. Eine Untätigkeit nach § 88 Abs 2 SGG liegt auch vor, wenn der Widerspruchsführer im Laufe von fünf Jahren eine angekündigte umfangreiche Begründung seines Widerspruchs nicht einreicht.

 

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, innerhalb von drei Monaten nach Rechtskraft des Urteils über den Widerspruch des Klägers vom 23. Oktober 2013 und über den Widerspruch des Klägers vom 30. Oktober 2015 zu entscheiden. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.

2. Der Beklagte hat 25% und der Kläger hat 75% der Kosten des Verfahrens zu tragen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Abwahlentscheidung des Verwaltungsrats des Klägers aus dem Amt des MDK-Geschäftsführers sowie hilfsweise um die Wirksamkeit weiterer drei Beschlüsse zur Kündigung des Dienstvertrages zwischen Beklagtem und Kläger bzw. Untätigkeit.

Der Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Recht im SGB V geregelt ist.

Der Kläger ist Kaufmann. Er fungierte als Geschäftsführer des Beklagten. Am 2. Juni 1998 wählte der Verwaltungsrat des Beklagten den Kläger zunächst zum kommissarischen Geschäftsführer des Beklagten. Hintergrund war ein vor dem Sozialgericht Mainz ausgetragener Streit über die Abwahl und Kündigung des bisherigen Geschäftsführers. Eine Bestellungsurkunde gab der Beklagte an den Kläger nicht aus.

In der Sitzung des Verwaltungsrates am 16. September 1998 änderte der Verwaltungsrat im Nachgang zu dem Verfahren vor dem Sozialgericht Mainz die Satzung des Beklagten dahingehend, dass er neben der Wahl auch für die Abwahl des Geschäftsführers des Beklagten zuständig ist. § 8 der Satzung des Beklagten (Stand 30.11.2012, genehmigt durch Erlass des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Gesundheit vom 5. Oktober 1999 (Bl. 405 d. VA) weist dem Verwaltungsrat des Beklagten seither in Nr. 6 die Aufgabe „Wahl und Abwahl des Geschäftsführers und seines Stellvertreters sowie Abschluss der erforderlichen Anstellungsverträge und deren Beendigung“ und in Nr. 7 die Aufgabe „Aufstellen der Richtlinien für die Führung der Geschäfte“ zu.

Der Verwaltungsrat beschloss in der gleichen Sitzung später einen auf sechs Jahre befristeten Anstellungsvertrag mit dem Kläger als kommissarischer Geschäftsführer ab 1. Oktober 1998 und beauftragte den Vorsitzenden, diesen abzuschließen (Bl.3849 d. GA). Eine Bestellungsurkunde wurde dem Kläger nicht ausgegeben.

Der Verwaltungsrat des Beklagten bestellte in der 19. Sitzung (13. Juni 2000) den Kläger zum Geschäftsführer und beschloss einen Änderungsvertrag zum bisherigen Anstellungsvertrag. Die Einstellung erfolgte nunmehr unbefristet. In einer Fußnote zu § 2 des Vertrages heißt es:

zu c)

Der MDK kann das Arbeitsverhältnis nur aus einem in der Person oder im Verhalten des Geschäftsführers liegenden wichtigen Grunde kündigen. Die Kündigung bedarf unter Angaben von Gründen der Schriftform.

Die Kündigung durch den Geschäftsführer kann ebenfalls mit einer Frist von einem Jahr zum 30. Juni oder zum Ende des Kalenderjahres erfolgen.

Das Recht zur außerordentlichen Kündigung bleibt unberührt. Eine Kündigung durch den Ge...

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