Entscheidungsstichwort (Thema)

Förderung der beruflichen Weiterbildung. Zulassung durch fachkundige Stelle. Rechtsweg. Anforderung an Maßnahme. Angemessenheit der Maßnahmekosten. verfassungswidrige Ermächtigungsgrundlage der AZWV

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hinsichtlich der Frage der Zulassung von Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung ist auch bei Entscheidungen einer fachkundigen Stelle der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet.

2. Die Anerkennungs- und Zulassungsverordnung - Weiterbildung - AZWV - beruht auf einer verfassungswidrigen Ermächtigungsgrundlage, da § 87 SGB 3 nicht den Anforderungen von Art 80 Abs 1 S 2 GG entspricht.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 16.01.2012; Aktenzeichen B 11 SF 1/10 R)

BSG (Beschluss vom 03.08.2011; Aktenzeichen B 11 SF 1/10 R)

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 3. Juni 2009 in Gestalt des der Klägerin am

17. August 2009 zugegangenen Widerspruchsbescheides wird aufgehoben.

2. Die Beigeladene wird verpflichtet, unverzüglich über den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Referenzmaßnahme “Bilanzanalyse für Juristen„ ohne Anwendung der Verordnung über das Verfahren zur Anerkennung von fachkundigen Stellen sowie zur Zulassung von Trägern und Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch vom 16. Juni 2004 sowie über sämtliche weiteren Anträge gemäß Liste der Beklagten vom 27. April 2009 auf Zulassung der Referenzmaßnahmen neu zu entscheiden.

3. Die Beigeladene trägt die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

4. Es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war.

5. Der Streitwert des Verfahrens S 8 AL 3179/09 wird auf 450.000,-- Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten, ihren Antrag auf Zulassung der Referenzmaßnahme “Bilanzanalyse für Juristen„ für die Förderung der beruflichen Weiterbildung sowie sämtliche weiteren Anträge auf Zulassung von Referenzmaßnahmen gemäß der Liste der Beklagten vom 27. April 2009 neu zu bescheiden.

Die Klägerin ist eine 1979 gegründete GmbH, die deutschlandweit Weiterbildungsveranstaltungen für Fach- und Führungskräfte der Wirtschaft anbietet. Mit Entscheidung vom 12. Mai 2009 ließ die Beklagte die Klägerin als Trägerin von Weiterbildungsmaßnahmen gemäß § 84 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III - zu. Im Anschluss daran beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Zulassung von 30 Maßnahmen als Referenzmaßnahmen im Verfahren nach § 85 SGB III i.V.m. § 9 Abs. 2 der Verordnung über das Verfahren zur Anerkennung von fachkundigen Stellen sowie zur Zulassung von Trägern und Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch vom 16. Juni 2004 (Anerkennungs- und Zulassungsverordnung - Weiterbildung - AZWV -). Die entsprechenden Maßnahmen sind in der Liste der Beklagten vom 27. April 2009 aufgeführt.

Mit E-Mail vom 3. Juni 2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Prüfung der ersten Referenzmaßnahme aus dem Maßnahmepaket “Bilanzanalyse für Juristen„ habe ergeben, dass die Maßnahme sowohl inhaltlich als auch im Hinblick auf die Zielgruppe prinzipiell zulassungsfähig sei. Auch die Arbeitsmarktrelevanz sei gegeben. Darüber hinaus erweise sich die von der Klägerin vorgelegte Kostenkalkulation als in sich schlüssig.

Der beantragte Kostenansatz sei auf der Grundlage der jährlich an die fachkundigen Stellen ausgegebenen vertraulichen Liste der Bundesdurchschnittskostensätze (B-DKS) zu prüfen. Eine Zulassung der geprüften Maßnahme könne aufgrund der fehlenden Angemessenheit im Hinblick auf die B-DKS (die Abweichung belaufe sich auf etwa 1.500 Prozent) nicht erfolgen. Da dies dem Grunde nach für alle in der Referenzauswahl befindlichen Maßnahmen gelte, werde von der Prüfung der verbliebenen Referenzanträge abgesehen.

Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin mit Schreiben vom 3. August 2009 Widerspruch. Gleichzeitig beantragte sie bei dem Sozialgericht Mannheim den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Den entsprechenden Antrag lehnte das Gericht mit Beschluss vom 27. August 2009

- S 8 AL 2531/09 ER - mangels Eilbedürftigkeit ab. Die Beschwerdemöglichkeit gegen diesen Beschluss wurde nicht ausgeschöpft. Den Widerspruch beschied die Beklagte mit am 17. August 2009 bei der Klägerin eingegangenem Schreiben mit der bereits mit E-Mail vom 3. Juni 2009 dargelegten Argumentation abschlägig. Dem Schreiben war keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt.

Die Klägerin hat am 22. September 2009 Klage zum Sozialgericht Mannheim erhoben.

Zur Begründung führt sie zunächst aus - worüber zwischen den Beteiligten Einigkeit besteht - streitig sei im Hinblick auf die Zulassungsvoraussetzungen (§ 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB III i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AZWV) lediglich die Frage der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im Hinblick auf die Angemessenheit der entstehenden Kosten.

Die Ablehnungsentscheidung sei bereits forme...

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