Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Höchstbezugsdauer des Krankengeldes. Anrechnung von Verletztengeld
Orientierungssatz
Die Herausnahme des Verletztengeldes aus § 49 Abs 1 Nr 3a SGB 5 beruht auf einem Versehen des Gesetzgebers. Hierdurch ist bezüglich der Anrechnung des Verletztengeldes auf die Höchstbezugsdauer des Krankengeldes nach § 48 Abs 3 SGB 5 keine Rechtsänderung eingetreten. Verletztengeld wie Krankengeld gleichen regelmäßig nur einen gesundheitsbedingten vorübergehenden Lohnausfall aus, während bei langfristiger gesundheitlich bedingter Leistungsunfähigkeit die entsprechenden Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung vorrangig sind (vgl BSG vom 8.11.2005 - B 1 KR 27/04 R = SozR 4-2500 § 48 Nr 3).
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Sozialgesetzbuch V (SGB V) im Anschluss an einen langfristigen Verletztengeldbezug wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls um die Zahlung von Krankengeld.
Der am ... 1970 geborene - somit heute 43jährige - Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 15.2.2008 (Explosion eines Satteltankaufliegers während Schweißarbeiten), bezog er bis zum 13.8.2009 vor allem wegen der Folgen einer posttraumatischen Belastungsstörung Verletztengeld von der Berufsgenossenschaft-Metall-Nord-Süd (hierzu Vergleich in dem sozialgerichtlichen Klageverfahren S 10 U 1894/09).
In der Folge machte der Kläger wegen (erneuter) Arbeitsunfähigkeit ab dem 23.8.2010 gegenüber der Beklagten die Zahlung von Krankengeld geltend.
Dies lehnte die Beklagte mit dem Bescheid vom 22.11.2010 ab: Denn der Anspruch auf Krankengeld bestehe innerhalb einer dreijährigen Blockfrist (hier: 15.2.2008 bis 14.2.2011) nur für längstens 78 Wochen. Diese Bezugsdauer habe der Kläger am 13.8.2009 ausgeschöpft. Daher könne ein neuer Krankengeldanspruch frühestens mit dem Beginn einer neuen Blockfrist entstehen.
Gegen diese Entscheidung wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 6.1.2011 und trug vor, er habe gegen den Bescheid vom 22.11.2010 bereits Widerspruch eingelegt.
Der Widerspruch ist jedoch erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 27.2.2013): Ohne sich auf die nicht gewahrte Widerspruchsfrist zu berufen (hierzu Schreiben der Beklagten vom 15.2.2011), führte die Beklagte aus, die (neuerliche) Arbeitsunfähigkeit vom 23.8.2010 bis zum 10.11.2010 beruhe auf einer psychischen Erkrankung (psychosomatische Störung - F45.0 bzw. depressive Episode - F 32.9). Bei diesem Krankheitsbild handele es sich “um eine zu den Unfallfolgen hinzugetretene Krankheit, die die Leistungsdauer„ von 78 Wochen “nicht ver-längere„. Daher sei unter Berücksichtigung des vorbezogenen Verletztengeldes ein Krankengeldbezug nicht mehr möglich. Wenn der Kläger hierzu die Auffassung vertrete, dass das zuvor gezahlte Verletztengeld auf die 78wöchige Höchstbezugsdauer für das Krankengeld nicht angerechnet werden dürfe, würde dies im Extremfall dazu führen, dass nach Ausschöpfung des Verletztengeldes noch einmal für weitere 78 Wochen Krankengeld gezahlt werden müsste. Dann würden sich die Entgeltersatzleistungen zu einer “rentenähnlichen Dauerleistung aus-weiten„. Dies sei jedoch nicht Aufgabe des Krankengeldes, das nach ständiger Rechtsprechung des BSG nur dazu bestimmt sei, bei vorübergehenden Gesundheitsstörungen den Lohnausfall auszugleichen (bspw. BSG, Urteil vom 8.11.2005 - B 1 KR 27/04 R). Zudem sei eine “Kumulierung von Sozialleistungen„ auch “sozialpolitisch nicht gewollt„ (BVerfG, Entscheidung vom 15.6.1971 - 1 BvR 88/69 und 1 BvR 496/69).
Am 2.4.2013 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht erhoben und weist zur Klagebegründung auf eine Entscheidung des SG Dresden (S 18 KR 458/06) hin. Hiernach verkenne die Beklagte, dass der Bezug von Verletztengeld seit dem 1.1.2005 nicht mehr zum Ruhen des Krankengeldes führe. Daher sei es ausgeschlossen, die Dauer des Verletztengeldbezuges auf die Höchstbezugs-dauer des Krankengeldes anzurechnen. In diesem Zusammenhang stelle das SG Dresden zu Recht fest, dass die gegenteilige Auffassung (bspw. SG Regensburg - S 2 KR 252/06) eine Auslegung “contra legem„ beinhalte und zudem auch “über den Gewaltenteilungsgrundsatz hinausgehe„. Die von der Beklagten angeführte Rechtsprechung sei irrelevant, weil sie sich noch auf die alte Rechtslage beziehe.
Sinngemäß beantragt der Kläger somit,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.2.2013 zu verurteilen, ihm für die Zeit ab dem 23.8.2010 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte tritt der Klage entgegen und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die Begründung des angefochtenen Bescheides bzw. Widerspruchsbescheides.
Die Beteiligten stimmen einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zu.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwal...