Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Zulassungsgremien. Teilentsperrung und Ausschreibung aufgrund einer unwirksamen Bewerbungsfrist

 

Leitsatz (amtlich)

Erfolgt aufgrund einer unwirksamen Bewerbungsfrist eine erneute Teilentsperrung und Ausschreibung eines Vertragsarztsitzes, haben die Zulassungsgremien die neu gesetzte Bewerbungsfrist abzuwarten. Für die Zwischenzeit besteht keine Befugnis der Zulassungsgremien, bereits eingegangene Anträge auf Zulassung vorrangig zu bescheiden.

 

Tenor

1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wird aufgehoben und die aufschiebende Wirkung der Klage zum Az.: S 12 KA 78/21 wird wiederhergestellt.

2. Der Antragsgegner hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Der Streitwert wird auf 43.000,00 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Wege eines einstweiligen Anordnungsverfahrens um die Anordnung der sofortigen Vollziehung der der Beigeladenen zu 8) erteilten Anstellungsgenehmigungen für zwei Augenärztinnen jeweils im Umfang eines hälftigen Versorgungsauftrags für deren Zweigpraxis im Planungsbereich E-Stadt.

Die 1967 geb. und jetzt 54-jährige Antragstellerin (im Folgenden: Klägerin) ist seit 2001 approbiert und seit 2004 Fachärztin für Augenheilkunde. Sie ist Oberärztin an der Universitäts-Augenklinik A-Stadt und arbeitet dort als Leiterin der Hochschulambulanz, angestellt im Umfang von 34 Wochenstunden. Im Falle einer Zulassung mit einem halben Versorgungsauftrag soll das Beschäftigungsverhältnis mit 20 Wochenstunden fortgeführt werden.

Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Hessen hob mit Beschluss vom 28.11.2019 im Planungsbereich Landkreis Offenbach für die Fachgruppe der Augenärzte die Zulassungsbeschränkung gemäß § 103 Abs. 3 SGB V in Verbindung mit § 26 Abs. 1 der Bedarfsplanungsrichtlinien-Ärzte mit der Auflage, dass zwei volle Zulassungsaufträge erfolgen dürften, auf. Im Beschluss heißt es ausdrücklich, dass Zulassungsanträge und die hierfür erforderlichen Unterlagen gem. § 18 Ärzte-ZV innerhalb von 6 Wochen nach Erscheinen der Veröffentlichung an den Zulassungsausschuss für Ärzte/Psychotherapie zu senden seien. Der Beschluss wurde im Heft 1/2020 des Hessischen Ärzteblattes, welches am 25.12.2019 erschien, veröffentlicht.

Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vergab mit Beschluss vom 18.02.2020 einen vollen Versorgungsauftrag.

Der Landesausschuss hob mit Beschluss vom 30.04.2020 im Planungsbereich Landkreis Offenbach für die Fachgruppe der Augenärzte die Zulassungsbeschränkung mit der Auflage, dass ein voller Zulassungsauftrag erfolgen dürfe, auf. Der Beschluss wurde im Heft 6/2020 des Hessischen Ärzteblattes am 20.05.2020 veröffentlicht. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Beschluss auf dem Ärztestand vom 01.03.2020 beruhe und dass Zulassungsanträge bis zum 13.07.2020 einzureichen seien.

Die Beigeladene zu 8) ist Trägerin eines MVZ mit Praxissitz in A-Stadt Sie betreibt eine - genehmigte - Zweigpraxis in F-Stadt (Planungsbereich Landkreis Offenbach). Sie beantragte mit Schreiben vom 10.03.2020 die Genehmigung zur Anstellung der Augenärztinnen Dr. med. G. und H. in ihrer Zweigpraxis in F-Stadt jeweils mit dem Faktor 0,5 bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von jeweils 20 Stunden. Frau Dr. med. G., geb. am 16.02.1980, ist seit April 2017 Fachärztin für Augenheilkunde und seit Oktober 2018 bei der Beigeladenen zu 8) angestellt. Frau H., geb. 1988, ist seit 2019 Fachärztin für Augenheilkunde und seit August 2019 bei der Beigeladenen zu 8) angestellt. Bei Erteilung der strittigen Genehmigung zur Anstellung soll ihre Beschäftigung mit jeweils 20 Wochenstunden an den Standorten A-Stadt und F-Stadt ausgeübt werden.

Der Zulassungsausschuss gab mit Beschlüssen vom 23.06.2020 den Anträgen der Beigeladenen zu 8) mit Wirkung zum 01.10.2020 statt. Die Beschlüsse wurden am 24.07.2020 ausgefertigt und zur Post gegeben. Zur Begründung führte der Zulassungsausschuss aus, die Zahl der genehmigten Zulassungen/Anstellungen aufgrund des Beschlusses des Landesausschusses vom 28.11.2019 sei noch nicht erreicht worden. Deshalb habe er den Anträgen stattgegeben.

Die Klägerin beantragte, ebenso wie zwei weitere Ärzte, mit Schreiben vom 20.05.2020, eingegangen am 26.05.2020, die hälftige Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit mit Wirkung zum 01.01.2021. Sie trug vor, sie wolle mit drei weiteren Ärzten, u. a. dem Kläger im Verfahren zum Az.: S 12 KA 80/21, die Praxis in Form einer Berufsausübungsgemeinschaft betreiben, um aufgrund verschiedener Spezialisierungen eine vollständige Versorgung zu gewährleisten. Die Praxis solle auf zwei Vertragsarztsitzen mit vier Fachärzten betrieben werden.

Der Zulassungsausschuss lehnte mit Beschlüssen vom 15.09.2020, ausgefertigt am 28.09.2020, den Antrag der Klägerin und der beiden weiteren Ärzte ab. Zur Begründung führte er aus, der mit Beschluss des Landesausschusses vom 30.04.2020...

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