Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftlichkeitsprüfung. Überschreitung des Richtgrößenvolumens. individuelle Beratung. Verwaltungsakt. Zulässigkeit der Anfechtungsklage. kein einstweiliger Rechtsschutz. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Festsetzung einer individuellen Beratung iSd § 106 Abs 5e S 1 SGB 5 handelt es sich auch um einen Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB 10), gegen den Anfechtungsklage erhoben werden kann. Die Beratung bildet im Bereich der Richtgrößenprüfung seit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz vom 22.12.2011 eine zwingende tatbestandliche Voraussetzung für die Festsetzung eines Erstattungsbetrags.

2. Mit der Teilnahme an einer Beratung seitens der Prüfgremien entstehen einem Vertragsarzt keine Rechtsnachteile, da es für einen späteren Richtgrößenregress auf die Bestandskraft der Festsetzung einer Beratung ankommt. Von daher bedarf es auch keines einstweiligen Rechtsschutzes.

 

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 11.11.2013 wird abgewiesen.

2. Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens um die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage zum Az.: S 12 KA 561/13 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 09.10.2013, mit dem eine individuelle Beratung gem. § 106 Abs. 5e S. 1 SGB V festgesetzt wurde.

Die Antragstellerin (im Folgenden: die Klägerin) ist eine seit dem 01.02.2007 bestehende überörtliche Gemeinschaftspraxis mit Praxissitz in A-Stadt. Frau A1 ist als Fachärztin für Anästhesiologie zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in C-Stadt zugelassen. Sie führt die Zusatz-Weiterbildung “spezielle Schmerztherapie„. Herr A2 ist als Facharzt für Orthopädie mit Praxissitz in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er führt ebf. die Zusatz-Weiterbildung “spezielle Schmerztherapie„ sowie die Zusatzweiterbildung “physikalische Therapie„ und “Chirotherapie„.

Zum Prüfungsverfahren vor der Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen in Hessen trug die Klägerin mit Schriftsatz vom 03.09.2010 vor, der Vergleich mit der Gruppe der Orthopäden sei fehlerhaft. Sie betreibe seit 2004 eine überörtliche Gemeinschaftspraxis eines Facharztes für Orthopädie und einer Fachärztin für Anästhesiologie, wobei die Anästhesistin ausschließlich schmerztherapeutisch tätig sei und an der Schmerztherapievereinbarung teilnehme. Dementsprechend kennzeichne sie sämtliche Fälle mit der Pseudokennziffer 98517. Am 30.12.2008 sei der Praxis der Status einer KV-Schmerzeinrichtung erteilt worden. Sie führten verschiedene Zusatzbezeichnungen. In enger interdisziplinärer Zusammenarbeit (Beteiligung eines Neurologen, Psychologen und Physiotherapeuten) biete sie ein biopsychosoziales Behandlungskonzept an. Sie behandelten überwiegend chronisch schmerzkranke und austherapierte Patienten (Gebershagen Stufe 2 bis 3). Diese Gruppe werde als besonders behandlungsintensiv (mit überdurchschnittlichem Arzt-Patienten-Kontakt und erheblichem Maßnahmen- und Leistungsbedarf angesehen. Dies zeige auch ihre KV-Abrechnung (überdurchschnittliche Zahl an Spritzen, Infusionen, Schmerzblockaden, chirotherapeutische Eingriffe, Akupunkturen und vor allem Medikamentenbedarf). In der Anlage führe sie besonders kostspielige Behandlungsfälle aus dem Jahr 2008 auf. Ferner betreue sie regelmäßig 100 Osteoporosepatienten. Diese hohe Zahl beruhe auf dem zweiten Schwerpunkt der Praxis - Osteologie. Es handele sich dabei um die Versorgung überwiegend älterer und polymorbider Menschen. Die KV Hessen habe für das Jahr 2007 für die Ausübung der Schmerztherapie für berechtigte Ärzte nach der Schmerztherapievereinbarung einen sog. Quantifizierungswert pro Fall und Quartal in Höhe von 486,90 Euro festgestellt.

Die Prüfungsstelle setzte mit Bescheid vom 15.12.2010 einen Regress in Höhe von 20.033,78 Euro (netto) fest. Zur Begründung führte sie aus, für die Klägerin habe sich eine Richtgröße in Höhe von 20.636,13 Euro ergeben. Sie habe diese Richtgröße im Jahr 2008 um 185.198,73 Euro, entsprechend 897,45 % überschritten. Es handele sich um eine fachübergreifende Gemeinschaftspraxis. In der Richtgrößenvereinbarung sei für die Berechnung der Richtgrößensumme die “Berliner Formel„ vereinbart worden. Diese Formel sei bisher nicht korrekt angewandt worden. Dies habe zu einer Bereinigung in Höhe von 11.538,37 Euro geführt. Die schmerztherapeutische Ausrichtung habe zur Berücksichtigung von über 100.000,00 Euro über die Ziffer 30700 geführt, obwohl die GAMSI-Daten für die Indikationsgruppe Analgetika/Antirheumatika insgesamt nur 97.000,00 Euro als Kosten auswiesen. Das Mehr an psychotherapeutischer Betreuung sei mit 35.898,20 Euro an Verordnungskosten anerkannt worden, ebenso die Laxantien im Rahmen der Opiat-Therapie mit 1.388,00 Euro. Darüber hinaus sei das Mehr an Ne...

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