Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragszahnärztliche Versorgung. 68-Jahres-Altersgrenze ist rechtmäßig. möglich gesetzgeberische Vorhaben zur Abschaffung führen nicht zur Rechtswidrigkeit. Streitwertfestsetzung
Leitsatz (amtlich)
Die Altersregelung nach § 95 Abs 7 SGB 5 ist für Vertragszahnärzte auch nach Verabschiedung des VÄndG und GKV-WSG rechtmäßig. Mögliche gesetzgeberische Vorhaben zur Abschaffung der Altersgrenze führen nicht zur Rechtswidrigkeit. Die ggf. notwendige Regelung eines Übergangs obliegt dem Gesetzgeber.
Orientierungssatz
Bei der Bemessung des wirtschaftlichen Interesses an einer Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung ist von der Höhe des Überschusses (Gewinn vor Steuern) auszugehen. Dabei wird auf einen Dreijahreszeitraum abgestellt (vgl zB BSG vom 1.9.2005 - B 6 KA 41/04 R = SozR 4-1920 § 52 Nr 1).
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Gerichtskosten zu tragen und dem Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Der Streitwert wird auf 303.555,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Genehmigung zur Verlängerung seiner vertragszahnärztlichen Tätigkeit über den 30.06.2008 hinaus.
Der 1940 geborene und jetzt 68-jährige Kläger ist Arzt für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie und approbierter Zahnarzt und seit 1981 zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen.
Am 28.01.2008 beantragte der Kläger, seine vertragszahnärztliche Zulassung über den 30.06.2008 hinaus zu verlängern. Er trug vor, gesundheitliche Einschränkungen bestünden nicht. Die Altersregelung diskriminiere ihn.
Der Zulassungsausschuss für Zahnärzte für das Land Hessen wies mit Beschluss vom 05.03.2008 den Antrag ab, da die Zulassung des Klägers aufgrund der gesetzlichen Vorschriften am 30.06.2008 ende. Bei mehr als 20-jähriger Tätigkeit sehe das Gesetz keine Ausnahme- oder Härtefallregelung vor.
Hiergegen legte der Kläger am 17.03.2008 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, nach Wegfall der Zulassungsbeschränkungen für Zahnärzte entfalle die Rechtfertigung für die Altersregelung.
Der Beklagte wies mit Beschluss vom 09.04.2008 den Widerspruch als unbegründet zurück. Er verwies auf die gesetzlichen Vorgaben nach § 95 Abs. 7 SGB V und die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Ein Verstoß gegen europäisches Recht oder das AGG liege nicht vor.
Hiergegen hat der Kläger am 30.06.2006 die Klage erhoben.
Am 09.05.2008 stellte der Kläger einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Ergänzend zu seinem Widerspruchsvorbringen trug er vor, er sei seit mehr als 20 Jahren vertragszahnärztlich tätig, weshalb eine gesetzliche Verlängerungsmöglichkeit nicht bestehe. Der Berufungsausschuss habe mittlerweile am 09.04.2008 seinen Widerspruch zurückgewiesen, der Beschluss liege ihm noch nicht vor. Er sei gesundheitlich in der Lage, seinen Beruf weiter auszuüben. Die Einschränkung der Berufswahlfreiheit sei verfassungswidrig. Diese Auffassung unterstütze auch die Bundeszahnärztekammer und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung. Die Altersregelung verstoße gegen die Richtlinie 2007/78/EG. Ein über 68 Jahre alter Zahnarzt könne auch eine Vertretung übernehmen. Die einstweilige Anordnung sei wegen einer Verfahrensdauer von 5- 6 Jahren notwendig.
Die erkennende Kammer wies mit Beschluss v. 14.05.2006 - S 12 KA 172/08 ER - den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. LSG Hessen wies mit Beschluss vom 25.06.2008 die hiergegen vom Kläger erhobene Beschwerde zurück,
Zur Klagebegründung trägt der Kläger vor, durch die neuere Entwicklung sei die Altersgrenze nunmehr verfassungswidrig. Ferner verweist er auf ein aktuelles Gesetzgebungsverfahren zur Aufhebung der Regelung hin.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 05.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 09.04.2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm die Zulassung als Vertragszahnarzt über den 30.06.2008 hinaus zu verlängern.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Altersgrenze weder für verfassungsrechtlich überholt noch europarechtlich unzulässig.
Die Beigeladenen haben sich zur Sache nicht geäußert.
Mit Beschluss vom 30.06.2008 hat die Kammer die Beiladung ausgesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Kammer konnte durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Voraussetzungen nach § 105 SGG vorliegen und die Beteiligten hierzu angehört wurden.
Die Klage ist zulässig. Der Klageantrag war dabei so zu verstehen, dass ausschließlich der Beschluss des Beklagten angefochten wird, da nur dieser Gegenstand eines Gerichtsverfahrens wird. Der Bescheid des Berufungsausschusses tritt vielmehr als Regelung der Zulassungssache an die Stelle des vorangegangenen Bescheids des Zulassungsausschusses und bildet den alleinigen Gegenstand der weiteren - gerichtlichen, bei aufhebendem Gerichtsurteil jedoch a...