Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung für Zeiten des beim Bundesgrenzschutz geleisteten Polizeivollzugsdienstes in den Jahren 1970 und 1971
Orientierungssatz
1. § 256 Abs 3 SGB 6 ist nach dem Wortlaut eindeutig nur auf Zeiten anwendbar, in denen aufgrund gesetzlicher Pflicht Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wurde. Die Einbeziehung von Zeiten beim Bundesgrenzschutz in diese Vorschrift kann daher nur aufgrund zusätzlicher ausdrücklicher Verweisungen oder wegen einer durch übergeordnetes Recht gebotenen Gleichstellung erfolgen.
2. Eine solche Gleichstellung der Zeiten des beim Bundesgrenzschutz in den Jahren 1970 und 1971 geleisteten Polizeivollzugsdienstes mit derjenigen Zeit, in der aufgrund gesetzlicher Pflicht mehr als drei Tage Wehrdienst (oder Zivildienst) geleistet wurde, lässt sich nicht begründen.
3. Vielmehr handelte es sich bei dem Vollzugsdienst um eine versicherungsfreie Beschäftigung, die aufgrund der damals geltenden Rechtslage nach Ausscheiden aus dem Bundesgrenzschutz in der Rentenversicherung nachversichert wurde.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anrechnung von Nachversicherungszeiten in der Zeit vom 05.01.1970 bis 31.12.1971 als Wehrdienstzeit.
Der 1950 geborene Kläger leistete in der Zeit vom 05.01.1970 bis 31.12.1971 seinen Wehrdienst beim Bundesgrenzschutz in C-Stadt ab. In seinem Versicherungskonto bei der Beklagten ist diese Zeit nicht als Wehrdienst, sondern als Nachversicherung eingetragen.
Mit Bescheid vom 14.12.2011 (Bl. 18-20 VA) übermittelte die Beklagte dem Kläger dessen Versicherungsverlauf, in dem sie feststellte, dass es sich bei dem abgeleisteten Dienst beim Bundesgrenzschutz um Nachversicherungszeiten handelt.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 05.01.2012 (Bl. 21 VA) Widerspruch ein und begehrte mit diesem die Anrechnung der Zeit beim Bundesgrenzschutz vom 05.01.1970 bis 31.12.1971 als Wehrdienstzeit, die mit einem Wert von 1,0 / Jahr angerechnet werden müsste.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.08.2012 (Bl. 33 VA) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass versicherungsfreie Berufssoldaten oder Soldaten auf Zeit keinen Wehrdienst aufgrund gesetzlicher Pflicht geleistet haben und daher keine Anrechnung als Wehrdienst erfolge.
Am 04.09.2012 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Marburg Klage erhoben (Bl. 1 d.A.).
Der Kläger beantragt schriftsätzlich (Bl. 1 d.A.),
den Bescheid der Beklagten vom 14.12.2011 in Form des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2012 aufzuheben.
Dem Kläger werden die beantragten Bewertungspunkte für die Zeit vom 05.01.1970 - 31.12.1971 in der Nachversicherung anerkannt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf ihre im Vorverfahren getroffenen Feststellungen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.01.2014 nahm die Prozessbevollmächtigte des Klägers Bezug auf ein Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25.01.2012 (Az.: L 19 R 646/08) und regte an, das Verfahren zum Ruhen zu bringen, bis dieser Rechtsstreit rechtskräftig abgeschlossen sei. Mit Beschluss vom 14.01.2014 (Bl. 31 - 32 d.A.) ordnete das Gericht das Ruhen des Verfahrens an.
Mit Schreiben vom 16.11.2018 beantragte die Beklagte, das Verfahren fortzusetzen.
Mit richterlicher Verfügung vom 29.11.2018 wurde das bisherige Verfahren (Az.: S 4 R 156/12) unter dem Aktenzeichen 4 R 191/18 WA wiederaufgenommen.
Das Gericht hat die bei der Beklagten geführte Verwaltungsakte zu dem Rechtsstreit beigezogen und den Prozessbevollmächtigten des Klägers zur Einsichtnahme überlassen.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten zur Sachverhaltsermittlung und dem Vortrag der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht nach ordnungsgemäß durchgeführtem Vorverfahren erhobene Klage als kombinierte Anfechtungs-und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG ist statthaft und zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.
Gemäß § 105 Abs. 1 SGG kann die Kammer durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Zudem hat am 14.01.2014 eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Die Beteiligten sind zu dieser Entscheidungsform mit richterlicher Verfügung vom 05.06.2020 angehört worden (§ 105 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Der Bescheid der Beklagten vom 14.12.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2012 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Denn mit diesem Bescheid hat die Beklagte rechtmäßig festgestellt, dass der vom Kläger geleistete Dienst bei dem Bundesgrenzschutz in der Zeit vom 05.01.1970 bis 31.12.1971 nicht als Wehrdienst, sondern als Nachversicherung im Versicherungskonto des Klägers angerechnet wird.
Zu Recht hat die Beklagte die ...