Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung Hessen. Sicherstellung und Finanzierung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes (ÄBD). Rechtmäßigkeit der Heranziehung und Kostenbeteiligung von Privatärzten. Regelung zur Berechnung der Beitragshöhe in § 8 KÄVBerDO HE. Verstoß gegen allgemeinen Gleichheitssatz
Leitsatz (amtlich)
1. Die Heranziehung und Kostenbeteiligung von Privatärzten zum bzw am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen ist vom Gestaltungsspielraum des hessischen Landesgesetzgebers und der Ermächtigungsgrundlage des § 23 Nr 2 HessHeilberG (juris: HeilBerG HE) gedeckt.
2. Die von der Beklagten in ihrer Bereitschaftsdienstordnung (juris: KÄVBerDO HE) aufgenommene Regelung zur Berechnung der Beitragshöhe für die Kostenbeteiligung am ÄBD verstößt jedoch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG, da bei der Berechnung der Beitragshöhe ohne sachliche Gründe im Fall der Vertragsärzte auf eine Berücksichtigung der Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit verzichtet wird, während im Fall der Privatärzte gerade das Jahresbruttoeinkommen als Bezugsgröße dient.
Nachgehend
Tenor
1. Die Bescheide der Beklagten vom 18.09.2019 und 09.03.2020 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 12.05.2021 und des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2020 werden aufgehoben.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 2.431,22 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Heranziehung zur Kostenbeteiligung am Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) in den Quartalen III/19 und IV/19 sowie I/20 bis IV/20 aufgrund ausschließlich privatärztlicher Tätigkeit.
Die Klägerin ist als Privatärztin mit Praxis in A-Stadt niedergelassen.
Mit Schreiben vom 20.03.2019 (gemeinsam mit der Landesärztekammer Hessen) und vom 15.05.2019 versandte die Beklagte ein an alle Privatärzte gerichtetes Rundschreiben über die Einbeziehung der Privatärzte in den Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (kurz: ÄBD). In den Schreiben teilte die Beklagte mit, dass eine Einbeziehung der Privatärzte in den ÄBD ab dem 01.07.2019 geplant sei. Sie informierte über das Procedere zur Teilnahme und machte Ausführungen zu den bestehenden Teilnahmevoraussetzungen und die beizubringenden Nachweise und informierte über Befreiungsgründe. Weiter stellte sie die finanziellen Rahmenbedingungen dar und verwies auf zukünftig jährlich ergehende Beitragsbescheide. Das Schreiben schloss mit der Bitte, sich bei Bedarf rechtzeitig zu einem Seminar anzumelden und die erforderlichen Unterlagen einzureichen, damit ein reibungsloser Beginn der Mitwirkung im ÄBD gewährleistet werden könne.
Am 18.09.2019 erließ die Beklagte einen Bescheid über die Höhe des zur Finanzierung des ÄBD zu leistenden Beitrages für die Quartale III/2019 und IV/2019 (Bl. 8 f. d. Verwaltungsakte). Nach § 23 Heilberufsgesetz seien in eigener Praxis niedergelassene Privatärzte verpflichtet, am ÄBD der Beklagten teilzunehmen und sich an den Kosten des ÄBD zu beteiligen. Dabei würden Privatärzte gemäß § 8 Abs. 3 Bereitschaftsdienstordnung (BDO) einen pauschalen ÄBD-Betrag zahlen, dessen Höhe sich pro Quartal auf die Hälfte des von den Vertragsärzten zu leistenden Höchstbetrages belaufe. Der Höchstbetrag für die Vertragsärzte sei vom Vorstand der Beklagten gemäß § 8 Abs. 2 BDO auf 1.500,00 € je Quartal festgelegt worden. Der Betrag für die Quartale III/2019 und IV/2019 belaufe sich für die Klägerin auf jeweils 750,00 €. Für die Quartale vor der Umsetzung der Regelung zum 01.07.2019 würden hingegen keine Beiträge erhoben, sodass sich der Beitrag für das Beitragsjahr 2019 auf insgesamt 1.500,00 € belaufe.
Die Klägerin legte mit Schreiben ihres ehemaligen Prozessbevollmächtigten vom 27.09.2019 Widerspruch gegen den Beitragsbescheid vom 18.09.2019 ein und beantragte daneben, die Vollziehung des Bescheides auszusetzen. Sie trug vor, es träfe nicht zu, dass sich aus dem Heilberufsgesetz die Verpflichtung zur Teilnahme an dem von der Beklagten organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienst ergäbe. Im Heilberufsgesetz sei geregelt, dass Privatärzte berufsrechtlich zum Notfalldienst verpflichtet seien. Es fände sich allerdings kein Wort davon, dass dies durch Einbeziehung in den ÄBD der Beklagten erfolge. Das gesamte Satzungsrecht, soweit es für Privatärzte in Anspruch genommen werde, sei unwirksam. Dies beträfe insbesondere § 8 Abs. 3 BDO. Selbstverständlich könne durch Satzungsrecht nicht die aufschiebende Wirkung des Widerspruches aufgehoben werden.
Am 09.03.2020 erließ die Beklagte einen weiteren Bescheid über die Höhe des zur Finanzierung des ÄBD zu leistenden Beitrages für die Quartale I/2020 bis IV/2020 (Bl. 16 f. d. Verwaltungsakte). Sie setzte einen Betrag von insgesamt 3.000,00 € für das Beitragsjahr 2020 fest.
Auch gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin durch eigenes Schreiben vom 12.03.2020 (Bl. 18 d. Verwaltungsakte) und dur...