Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Praxisgemeinschaft. Missbrauch der Kooperationsform der Gemeinschaftspraxis bei hohem Anteil gemeinsam behandelter Patienten. Ermittlungspflichten der KÄV. häufige kurze Urlaubszeiten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Behandeln die Partner einer Praxisgemeinschaft die Patienten zu einem hohen Anteil gemeinschaftlich, bedienen sie sich der Kooperationsform der Gemeinschaftspraxis missbräuchlich (vgl BSG vom 22.3.2006 - B 6 KA 76/04 R = BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6 und vom 5.11.2008 - B 6 KA 17/07 B). Hiervon ist auszugehen, wenn der Anteil der gemeinsam behandelten Patienten über elf Quartale hinweg zwischen 31,6 % und 48,5 % beträgt. Insofern besteht ohne substantiierten Sachvortrag des Vertragsarztes keine Amtsermittlungspflicht hinsichtlich der Notwendigkeit aller Vertretungsfälle.

2. Häufige, kurze Urlaubszeiten deuten darauf hin, dass die Urlaubszeiten wie in einer Berufsausübungsgemeinschaft gelegt werden, in der eine gegenseitige Weiterbehandlung der Patienten ohne weiteres möglich ist.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine Honorarrückforderung in Höhe von 60.538,34 € aufgrund einer Plausibilitätsprüfung der Honorarabrechnungen der elf Quartale II/05 bis IV/07 und hierbei insbesondere eines Praxisabgleichs innerhalb der Praxisgemeinschaft des Klägers mit Herrn A1 mit einem Anteil gemeinsamer Patienten zwischen 31,6 % und 48,5 %.

Der Kläger ist seit 1986 als Praktischer Arzt und seit 1989 als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Herr Dr. med. A1 war ebf. seit dem 01.04.1990 zunächst als Praktischer Arzt, seit 1995 als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Zum Jahresende 2008 verzichtete er auf seine Zulassung. Die Praxisgemeinschaft zwischen dem Kläger und Herrn Dr. med. A1 bestand vom 01.04.1990 bis 31.12.2008 und wurde nach dem Ausscheiden des Herrn Dr. med. A1 beendet.

In den streitbefangenen Quartalen setzte die Beklagte das Honorar der Kläger jeweils durch Honorarbescheid fest. Die Festsetzungen im Einzelnen ergeben sich aus nachfolgender Übersicht:

Quartal

II/05

III/05

IV/05

I/06

Honorarbescheid vom

29.06.2006

12.08.2006

06.08.2007

21.01.2007

Nettohonorar gesamt in €

36.959,84

38.927.95

44.191,21

39.049,41

Bruttohonorar PK + EK in €

(bis 2001 in DM)

36.847,99

38.796,95

44.297,17

39.202,06

Fallzahl PK + EK

865

954

1.028

867

Fallzahl gesamt

882

968

1.047

883

Fallzahlbegrenzungsmaßnahme nach Ziff. 5.2.1 HVV

Quote in %

96,79

--

--

--

Regelleistungsvolumen in Punkten

566.329,2

621.817,2

573.080,4

575.922,9

Überschreitung in Punkten

122.924,8

--

58.869,6

98.451,1

Ziff. 7.5

Auffüll-/Kürzungsbetrag pro Fall

in €

+ 204,97

--

+ 5.771,10

+ 3.280,86

Quartal

II/06

III/06

IV/06

I/07

Honorarbescheid vom

04.02.2007

17.03.2007

18.04.2007

08.03.2008

Nettohonorar gesamt in €

33.816,99

35.525,51

47.196,43

35.208,81

Bruttohonorar PK + EK in €

(bis 2001 in DM)

33.787,33

35.450,81

47.529,38

35.232,93

Fallzahl PK + EK

752

870

1.092

805

Fallzahl gesamt

765

888

1.109

818

Fallzahlbegrenzungsmaßnahme nach Ziff. 5.2.1 HVV

Quote in %

--

--

--

Regelleistungsvolumen

507.300,5

572.427,9

529.417,4

Überschreitung in Punkten

92.098,5

10.481,1

76.964,1

Ziff. 7.5

Auffüll-/Kürzungsbetrag pro Fall

in €

--

--

+ 1.279,35

Quartal

II/07

III/07

IV/07

Honorarbescheid vom

17.10.2007

17.01.2008

09.05.2008

Nettohonorar gesamt in €

36.758,80

38.299,56

41.676,68

Bruttohonorar PK + EK in €

(bis 2001 in DM)

36.644,77

37.639,72

41.876,25

Fallzahl PK + EK

861

973

995

Fallzahl gesamt

875

991

1.005

Die Beklagte forderte den Kläger unter Datum vom 04.05.2010 aufgrund einer Plausibilitätsprüfung der Quartalsabrechnung für die streitbefangenen Quartale zu einer Stellungnahme auf. Sie habe die Honorarabrechnung des Klägers zusammen mit der Honorarabrechnung des Herrn Dr. A1 einer Plausibilitätsprüfung unterzogen. Es sei analysiert worden, wie viele Patienten von beiden Ärzten gemeinsam behandelt und abgerechnet worden seien. Hierbei habe sie eine Anzahl von gemeinsam abgerechneten Fällen festgestellt, was sie zahlenmäßig in einer Tabelle darstellte. Ferner fügte sie eine Patientenliste mit 21 Behandlungsfällen für die Quartale II und III/05 bei.

Der Kläger äußerte sich zur Einleitung des Verfahrens nicht.

Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 20.07.2010 die strittigen Honorarrückforderungen fest. Im Einzelnen entfielen auf die streitbefangenen Quartale folgende Honorarrückforderungen:

Quartal

Honorar in €

II/05

5.954,64

III/05

4.687,04

IV/05

5.126,10

I/06

6.407,99

II/06

5.012,87

III/06

5.922,92

IV/06

5.213,31

I/07

5.257,65

II/07

4.719,83

III/07

5-559,43

IV/07

6.676,56

Zur Begründung führte sie aus, die Abrechnungen von Ärzten, welche untereinander in einer Praxisgemeinschaft (Berufsausübungsgemeinschaft) verbunden seien, könnten unplausibel sein, wenn bestimmte Grenzwerte des Anteils id...

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