Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsarzt. Arzneikostenregress. Nachweis eines Ausnahmefalls. Vorlage der Behandlungsdokumentation im Gerichtsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Für den Nachweis eines Ausnahmefalls zur Verordnung eines von der Arzneimittel-Richtlinie (juris: AMRL 2009) von der Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittels reicht es aus, eine Behandlungsdokumentation im Gerichtsverfahren vorzulegen.

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 20.03.2018 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte hat die Gerichtskosten zu tragen und dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Festsetzung eines Arzneikostenregresses für die zwei Quartale IV/13 und I/14 wegen der Verordnung von Competact (mit Wirkstoff Pioglitazon) in einem Behandlungsfall i. H. v. insgesamt 235,13 € (netto).

Der Kläger ist als Facharzt für Innere Krankheiten mit Praxissitz in A-Stadt (Taunus) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er nimmt an der hausärztlichen Versorgung teil. Im streitgegenständlichen Zeitraum führte er eine Berufsausübungsgemeinschaft mit dem Facharzt für Innere Medizin Herrn Dr. E. E., dem Beigeladenen zu 2).

Die Beigeladene zu 1) beantragte am 13.12.2017 und 23.01.2018 im Behandlungsfall des 1948 geb. F. F. für die streitbefangenen Quartale die Prüfung der Verordnungsweise und Festsetzung eines Regresses, weil für das Arzneimittel Competact gem. Anlage III Nr. 49 der Arzneimittel-Richtlinie ein Verordnungsausschluss bestehe.

Die Beklagte übersandte dem Kläger den Prüfantrag. Sie teilte ihm ferner mit, aufgrund der späten Antragstellung sei es ihr nicht möglich, vor Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist eine Entscheidung zu treffen, da noch Sachverhaltsermittlungen angestellt werden müssten. Die Frist werde jedoch durch die Antragstellung seitens der Beigeladenen unterbrochen bzw. gehemmt. Dies sei nach der Auffassung des Bundessozialgerichts zumindest dann der Fall, wenn der Vertragsarzt - wie durch dieses Schreiben geschehen - über die Gründe informiert werde, die einer zügigen Entscheidung über den gestellten Prüfantrag entgegenstünden (BSG, Urt. v. 05.05.2010 - B 6 KA 5/09 R). Sie forderte zudem die Behandlungsdokumentation an.

Der Kläger übersandte am 29.12.2017 ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Hessen mit Datum vom 27.06.2012. Er trug vor, er habe zunächst ein Privatrezept ausgestellt, woraufhin der Patient bei der Beigeladenen einen Kostenantrag gestellt habe. Danach habe er, offensichtlich wegen des Hinweises im Gutachten, bei entsprechend dokumentierter Begründung könne im Ausnahmefall ein Kassenrezept erfolgen, ein Kassenrezept am 13.09.2012 ausgestellt, das letzte Rezept am 23.07.2015, da kein Widerspruch der Beigeladenen erfolgt sei. Es könne ihm deshalb kein schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden.

Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 20.03.2018, dem Kläger zugestellt am 26.03.2018, die strittige Schadensersatzpflicht fest, für das Quartal IV/13 in Höhe von 78,11 € und für das Quartal I/14 in Höhe von 157,13 €. Zur Begründung verwies sie erneut auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hin, wonach trotz der späten Antragstellung hier noch eine Festsetzung hätte ergehen können. Die Verordnung zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung sei unzulässig. Gem. Anlage III Nr. 49 AM-RL unterlägen Glitazone, insb. Pioglitazon und Rosiglitazon, zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 einem Verordnungsausschluss verschreibungspflichtiger Arzneimittel nach § 92 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGB V i. V. m. § 16 Abs. 1 und 2 AM-RL. Hierfür seien keine Ausnahmen vorgesehen. Laut Lauer-Taxe enthalte das Präparat Competact eine Wirkstoffkombination aus Pioglitazon und Metformin. Somit sei das Präparat nicht verordnungsfähig. Der Gemeinsame Bundesausschuss habe Glitazone als unzweckmäßig ausgeschlossen, da ein Zusatznutzen auf makro- und mikrovaskuläre Folgeerkrankungen des Diabetes nicht hinreichend belegt sei. Der Verweis auf das Gutachten des Medizinischen Dienstes könne nicht als entlastend bewertet werden. Der Vermerk auf dem Rezeptimage “wegen zunehmend entglittenem Typ 2 Diabetes + Insulin Resistenz„ sei nicht ausreichend. Ausschlusskriterien für die Therapie mit weiteren zulässigen Alternativen seien nicht ersichtlich.

Hiergegen hat der Kläger am 23.04.2018 die Klage erhoben. Er trägt ergänzend zu seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren vor, der Wirkstoff Pioglitazon senke den Blutzuckerspiegel, indem er die Wirkung des Insulins verbessere. Durch Insulin werde der Zucker, der im Blut zirkuliere, in die Körperzellen aufgenommen und könne dort weiterverarbeitet werden. Durch den Wirkstoff werde vor allem die durch Insulin bewirkte Aufnahme des Zuckers im Fettgewebe, Muskelgewebe und in der Leber verbessert. Bei dem Patienten habe die Diagnose des zunehmenden entgleisenden Typ 2 Diabetes mellitus mit Insulinresistenz sowie erhöhten HbA1c-Werten nach Absetzen vo...

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