Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeitsprüfung. implausible Abrechnungen aufgrund von Zeitprofilen. Überlappung von sachlich-rechnerischer Berichtigung wegen Implausibilität und Honorarkürzung wegen Unwirtschaftlichkeit. Kassenärztliche Vereinigung. Umsetzung. Prüfbescheid. Honorarverteilung. Abzug der wegen Unwirtschaftlichkeit gekürzten Leistungsmenge
Leitsatz (amtlich)
1. Bei implausiblen Abrechnungen aufgrund von Zeitprofilen kann die Implausibilität nicht einer Einzelleistung oder einzelnen Leistungen oder Leistungsbereichen zugeordnet werden. Die Implausibilität folgt vielmehr aus dem Gesamtumfang der abgerechneten Leistungen. Die Wirtschaftlichkeitsprüfgremien dürfen deshalb von der Richtigkeit der Honoraranforderung ohne Bereinigung der statistischen Grundlagen ausgehen.
2. Soweit sich eine sachlich-rechnerische Berichtigung wegen Implausibilität und eine Honorarkürzung wegen Unwirtschaftlichkeit überlappen, ist im jeweils nachfolgenden Bescheid bei der Festsetzung des konkreten Kürzungsbetrages im Rahmen der Ermessensausübung die vorangehende Kürzung zu berücksichtigen.
3. Eine Kassenärztliche Vereinigung, die zur Umsetzung des Prüfbescheides offensichtlich die Honorarverteilung nochmals unter Abzug der wegen Unwirtschaftlichkeit gekürzten Leistungsmenge vornimmt, setzt sich in Widerspruch zu § 106 SGB 5 in der vom BSG vorgenommenen Rechtsauslegung (vgl BSG vom 15.5.2002 - B 6 KA 30/00 R = SozR 3-2500 § 87 Nr 32 = juris RdNr 15ff; BSG vom 5.11.2003 - B 6 KA 55/02 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 4 = juris RdNr 18; BSG vom 23.2.2005 - B 6 KA 79/03 R = USK 2005-108 = juris RdNr 26). Diese Vorgehensweise wird, da sie Vertragsärzte nur begünstigen kann, nicht im Klagewege angegangen mit der Folge, dass sie nur durch Maßnahmen der Aufsichtsbehörde beanstandet werden kann.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise im Bereich der Leistungsgruppe 8 (Sonderleistungen) in den elf Quartalen III/03 bis I/06 in Höhe von insgesamt 126.137,00 € unquotiert bzw. 24.519,53 € nach Quotierung.
Der Kläger ist als Frauenarzt zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt seit 1986 zugelassen.
In den streitbefangenen Quartalen entwickelten sich die Fallkosten des Klägers (Kl.) im Vergleich zu seiner Fachgruppe der Frauenärzte (VG), gewichtet nach Rentneranteilen, wie folgt:
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III/03 |
IV/03 |
I/04 |
II/04 |
Anzahl Praxen/Ärzte |
606/719 |
608/723 |
609/722 |
608/719 |
Fallzahl Kl./VG |
727/1.329 |
633/1.737 |
605/1.191 |
606/1.132 |
Rentneranteil in % Kl./VG |
11/17 |
14/18 |
13/16 |
13/17 |
Fallkosten gesamt in € Kl./VG |
47,78/31,24 |
55,79/32,98 |
56,52/32,95 |
56,52/32,95 |
Überschreitung in % |
53 |
69 |
72 |
72 |
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|
|
Fallkosten LG 8 Kl./VG in € |
26,90/13,00 |
34,20/14,14 |
35,26/14,30 |
35,40/14,02 |
Überschreitung in € |
13,90 |
20,06 |
20,96 |
21,38 |
Überschreitung in % |
107 |
142 |
147 |
152 |
|
|
III/04 |
IV/04 |
I/05 |
II/05 |
Anzahl Praxen/Ärzte |
606/720 |
605/718 |
599/713 |
590/698 |
Fallzahl Kl./VG |
513/1.127 |
575/1.147 |
601/1.119 |
638/1.160 |
Rentneranteil in % Kl./VG |
11/17 |
16/18 |
14/17 |
17/18 |
Fallkosten gesamt in € Kl./VG |
57,73/33,48 |
59,36/34,30 |
56,12/33,28 |
82,14/38,29 |
Überschreitung in % |
72 |
73 |
69 |
115 |
|
|
|
|
|
Fallkosten LG 8 Kl./VG in € |
35,75/14,06 |
36,75/14,42 |
35,40/14,33 |
53,27/10,80 |
Überschreitung in € |
21,69 |
22,33 |
21,07 |
42,47 |
Überschreitung in % |
154 |
155 |
147 |
393 |
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III/05 |
IV/05 |
I/06 |
Anzahl Praxen/Ärzte |
584/695 |
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Fallzahl Kl./VG |
542/1.118 |
582/1.144 |
625/1.157 |
Rentneranteil in % Kl./VG |
11/17 |
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Fallkosten gesamt in € Kl./VG |
80,20/38,75 |
82,38/39,73 |
79,36/39,75 |
Überschreitung in % |
107 |
107 |
100 |
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|
Fallkosten LG 8 Kl./VG in € |
51,81/10,58 |
53,94/10,82 |
54,50/11,00 |
Überschreitung in € |
41,23 |
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Überschreitung in % |
390 |
398 |
396 |
Der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Hessen leitete mit Schreiben vom 27.04.2005 für die Quartale III und IV/03, vom 26.10.2005 für die Quartale I bis IV/04 und vom 20.01.2006 für das Quartal I/05 ein Prüfverfahren unter Hinweis auf die Überschreitungswerte bei den Sonderleistungen (Leistungsgruppe 8) ein.
Der Kläger wies unter Datum vom 20.05.2005 darauf hin, dass 90 % seiner Patienten Ausländerinnen seien. Diese litten öfters an psychosomatischen Erkrankungen. Die Einweisungen für stationäre Behandlungen und die Überweisungen seien beispiellos niedrig. Auch die Laborüberweisungen seien unvergleichbar niedrig. Gegenüber der Fachgruppe spare er bei der Medikamentenverordnung mind. 10 % ein.
Der Prüfungsausschuss setzte mit Beschluss aufgrund der Sitzung am 26.04.2006, was er mit Bescheid vom 15.09.2006 bekannt gab, eine Verminderung der Honoraranforderung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise in der Leistungsgruppe 8 (Sonderleistungen) vor Quotierung für alle Quartale (III/03 bis I/05) fest, und zwar für das Quartal III/03 in Höhe von 9,00 € pro Fall bei 727 Gesamtfällen, für das Quartal IV/03 von 12,00 € bei 633 Gesamtfällen, für das Quartal I/04 von 12,00 € bei 605 Ges...