Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Bindung der Vertragsparteien eines Honorarverteilungsvertrages an die Vorgaben des Bewertungsausschusses bzgl Regelleistungsvolumen. Ausgleichsregelung. keine Benachteiligung von Einzel- gegenüber Gemeinschaftspraxen. Rechtmäßigkeit von quotiertem Punktwert

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vertragsparteien eines Honorarverteilungsvertrages sind an die Vorgaben des Bewertungsausschusses zur Festlegung von Regelleistungsvolumen gebunden (vgl LSG Darmstadt vom 23.4.2008 - L 4 KA 69/07).

2. Der Honorarverteilungsvertrag (HVV) kann deshalb nicht ergänzend zu einem Regelleistungsvolumen eine “Ausgleichsregelung„ vorsehen, die bei Überschreiten eines Fallwerts im Vorjahresquartal von mehr als 105% u. U. zu einer Honorarkürzung führt.

3. Leistungen, die entsprechend den Vorgaben des Bewertungsausschusses dem Leistungsbereich 4.1 zuzuordnen sind, dürfen nicht innerhalb des Regelleistungsvolumens vergütet werden.

4. Eine rechtswidrige Benachteiligung der Einzelpraxen gegenüber den Gemeinschaftspraxen besteht weder im EBM 2005 (juris: EBM-Ä 2005) noch im HVV der KV Hessen in den Quartalen II u. III/05.

5. Es ist nicht zu beanstanden, dass nach dem Honorarverteilungsvertrag der KV Hessen für die Quartale ab II/05 für Leistungen innerhalb des Regelleistungsvolumens kein fester, sondern nur ein quotierter Punktwert vorgesehen ist, und dass die das Regelleistungsvolumen übersteigenden Leistungsanforderungen mit einem einheitlichen Punktwert (von 0,51 Cent) vergütet werden.

6. Für die Quartale ab II/05 besteht kein Anspruch auf Auszahlung eines festen Punktwerts von 5,11 Cent.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.03.2010; Aktenzeichen B 6 KA 41/08 R)

 

Tenor

1. Unter Abänderung der Honorarbescheide für die Quartale II und III/05, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. 09. 2007, wird die Beklagte verurteilt, den Kläger über seine Honoraransprüche unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Der Kläger hat 5/6, die Beklagte hat 1/6 der Gerichtskosten zu tragen. Die Beklagte hat 1/6 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

4. Die Sprungrevision zum Bundessozialgericht wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten gegen die Honorarfestsetzung für die Quartale II/05 und III/05 und hierbei u. a. auch um die Benachteiligung einer Einzelpraxis gegenüber einer Gemeinschaftspraxis im Rahmen des einheitlichen Bewertungsmaßstabs und der Honorarverteilung.

Der Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.

Mit Honorarbescheid vom 04.12.2005 für das Quartal II/05 setzte die Beklagte das Bruttohonorar für den Primär- und Ersatzkassenbereich bei 675 Behandlungsfällen auf 28.794,45 € fest. Hiergegen legte der Kläger am 01.06.2006 Widerspruch ein. Die Beklagte ersetzte aus allgemeinen abrechnungstechnischen Gründen diesen Honorarbescheid durch den Honorarbescheid vom 06.06.2006. Darin setzte sie das Bruttohonorar auf 28.244,65 € fest. Hiergegen legte der Kläger am 31.08.2006 erneut Widerspruch ein. Darin führte er aus, der Widerspruch richte sich gegen die ab dem 01.04.2005 vorgenommene und berechnete Honorarverteilung. Zusätzlich der Gesamtvergütung zugeführte Geldmittel aus dem Bereich der Rücklagen mit nachfolgender nicht rechtskonformer Aufteilung in haus- und fachärztliches Honorar hätten zu einer Fehlverteilung geführt. Sein Widerspruch richte sich auch gegen die Benachteiligung der Einzelpraxen im EBM und HVV. Er verwies ferner auf ein Schreiben des Hausärzteverbandes vom 21.08.2006, das er beifügte.

Mit Honorarbescheid vom 12.08.2006 setzte die Beklagte für das Quartal III/05 das Bruttohonorar im Primär- und Ersatzkassenbereich bei 677 Behandlungsfällen auf 25.418,87 € fest. Hiergegen legte der Kläger am 07.11.2006 wegen Ungleichbehandlung der Einzelpraxen Widerspruch ein.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wurde in zahlreichen weiteren Verfahren anderer Vertragsärzte beauftragt und legte dar, dass es sich in diesem Verfahren um ein Musterverfahren handele. Zur Begründung der Widersprüche trug er für den Kläger vor, die Widersprüche würden aus jedem denkbaren Rechtsgrund erhoben werden. Die Begründung beschränke sich zwar auf die Tatsache, dass Einzelpraxen im Rahmen des EBM und der Honorarverteilung gegenüber Gemeinschaftspraxen benachteiligt würden, damit sei aber keine Beschränkung der Widersprüche auf diese Sachverhalte verbunden. Die einzelnen Ärzte hätten ggf. weitere Einwendungen.

Die Widersprüche richteten sich gegen die Tatsache, dass nach dem seit 01.04.2005 geltenden EBM 2005 Ärzte, die in Gemeinschaftspraxen tätig seien, einen Aufschlag von mindestens 60 und höchstens 105 Punkten auf den Ordinationskomplex erhielten. Dies verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 Abs. 1 GG und die Berufsausübungsfreiheit der in Einzelpraxis tätigen Ärzte (Artikel 12 Abs. 1 Satz 2 GG). Außerdem erhielten nach ...

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