Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Genehmigung. Zweigpraxis. Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Versorgung am Ort des Vertragsarztsitzes. Verletzung der Residenzpflicht. Berücksichtigung von Entfernungen und Wegezeiten
Leitsatz (amtlich)
Bei einer Entfernung zwischen Praxissitz und Zweigpraxissitz eines Kinderkardiologen von 128 km und einer Fahrzeit von eineinhalb Stunden pro Wegstrecke liegt eine Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes iS des § 24 Abs 3 S 1 Ärzte-ZV idF d VÄndG vor.
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Genehmigung einer Zweigpraxis in AA. bei einem Praxissitz in A-Stadt.
Der Kläger ist als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit dem Schwerpunkt Kinderkardiologie/Bluttransfusionswesen zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Der Kläger beantragte unter Datum vom 25.11.2006 die Genehmigung einer Zweigpraxis in AA.. Er trug vor, er sei seit einem Jahr einen Nachmittag in AA. als Kinderkardiologe tätig und betreue dort wohnortnah herzkranke Kinder. Im gesamten XY-Kreis gebe es keine ambulante Versorgung herzkranker Kinder, ebenso liege keine Ermächtigung eines Klinikarztes vor. Die nächste Möglichkeit zur Untersuchung sei GE. (Kinderherzzentrum) oder X-Stadt, das heißt im Umkreis von ca. 80 km gebe es keinen weiteren Kinderkardiologen. Er sei Mitglied im Netz der Kinderärzte XY. und bekomme alle privatversicherten Säuglinge, Kinder und Jugendlichen mit einem angeborenen Herzfehler zugewiesenen. Eine Tätigkeit in AA. habe keine Verschlechterung der Versorgung in A-Stadt zufolge. Kinderkardiologische Untersuchungen würden in A-Stadt bei gegebener Indikation (z. B. Neugeborenes oder Säugling mit neu aufgetretenem Herzgeräusch) weiterhin am Anforderungstag durchgeführt werden. Seine Erreichbarkeit sei für die hausärztlichen und kinderkardiologischen Patienten über ein Mobiltelefon jederzeit gewährleistet. Eine Tätigkeit in AA. und im XY-Kreis sei wegen der großen Anzahl der Patienten sinnvoll. Er müsse täglich Anfragen versicherter Patienten zur kinderkardiologischen Untersuchung ablehnen (wöchentlich ca. 6 bis 8 Anfragen).
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 25.10.2007 den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, nach der neuen Regelungen des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes sei von einer Verbesserung der Versorgung dann auszugehen, wenn diese entweder qualitativ verbessert, das heißt in der Zweigpraxis spezielle, bisher nicht vorhandene Leistungen angeboten würden, oder ein lokaler Versorgungsbedarf in einem Planungsbereich ausgefüllt werde. Auf die von der Bezirksstelle GE. durchgeführte Umfrage bei den niedergelassen Fachärzten für Kinder- und Jugendmedizin im Planungsbereich XY-Kreis sei mitgeteilt worden, dass die Kinder mit kardiologischen Problemen optimal durch die nächst erreichbaren Kinderkardiologen in NL. (ca. 31,52 km bis AA.), in LB. (ca. 28,97 km) und im QQ. Kinderherzzentrum (ca. 36,20 km) versorgt würden. Weiter würden kinderkardiologische Untersuchungen in der Kinderklinik UU. beziehungsweise NG. durchgeführt werden. Insofern werde seitens der niedergelassen Vertragsärzte in der Einrichtung einer kinderkardiologischen Zweigpraxis in AA. keine Verbesserung gesehen.
Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Entfernung zwischen dem Praxissitz in A-Stadt und AA. ca. 128 km betrage und sich somit eine Fahrzeit von ungefähr eineinhalb Stunden pro Wegstrecke ergebe, der Kläger der einzige Kinderkardiologe im Planungsbereich Landkreis A-Stadt sei und die nächst erreichbaren Kinderkardiologen erst in WQ. (ca. 66 km entfernt, Planungsbereich Landkreis WQ.) und in LP. (ca. 105 km entfernt) niedergelassen seien. Es sei deshalb zu befürchten, dass mit der Einrichtung der geplanten Zweigpraxis in AA. die ordnungsgemäße Versorgung der Patienten im Einzugsgebiet des Hauptpraxissitzes beeinträchtigt werde.
Hiergegen legte der Kläger am 26.11.2007 Widerspruch ein. Er trug ergänzend zu seiner Antragsbegründung vor, die Ablehnung der Genehmigung verletze ihn aus seinen Rechten aus Art. 3 und 12 GG. Qualitativ bessere Tätigkeiten stellten in jedem Falle eine Versorgungsverbesserung dar, wenn in dem betreffenden Planungsbereich regional oder lokal solche nicht oder nicht im erforderlichen Umfang angeboten würden. Der Begriff “Verbesserung" zeige eine deutliche Abkoppelung von den Voraussetzungen und Begrifflichkeiten der Bedarfsprüfung. Die gesetzgeberische Intention, die Tätigkeit in Zweigpraxen erleichtern zu wollen, weise in die gleiche Richtung. Infolgedessen sei der Begriff der Verbesserung grundsätzlich losgelöst von den Kriterien der Bedarfsprüfung zu interpretieren, sodass insbesondere ein höherer Qualitätsstandard eine Verbesserung begründe. Eine auf Teile des Gebietsspektru...