Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung. Festsetzung des Honoraranspruchs. Punktzahlbegrenzungen bei Jobsharingverhältnissen. Berechnung des Anpassungsfaktors auf der Grundlage identischer Aufsatzquartale. Verfassungsmäßigkeit. Berücksichtigung von Partnern einer Job-Sharing-Praxis zu gleichen Leistungsanteilen. Berechnung der Rückforderung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Anpassungsfaktor (Nr 3.4 Angestellten-Ärzte-RL - AÄRL bzw § 23f BedarfsplRL-Ä juris: ÄBedarfsplRL) soll EBM-bedingte, von der Leistungserbringung der Job-Sharing-Praxis unabhängige Punktezahlausweitungen ermöglichen. Aufgrund der ungleichzeitigen Berechnung des Anpassungsfaktors - Vergleich des Abrechnungsvolumen der Praxis vor Einführung des EBM 2005 mit dem Fachgruppendurchschnitt nach Einführung des EBM 2005 (juris: EBM-Ä 2005) - kommt es aber zu einer Fehlberechnung. Dieser strukturelle Fehler setzt sich zudem in allen folgenden Leistungsjahren fort. Dies kann zu einer gleichheitswidrigen Benachteiligung einer Job-Sharing-Praxis mit den Job-Sharing-Praxen, deren Anpassungsfaktor vor dem Quartal II/05 berechnet wird oder deren Aufsatzquartale nach dem Quartal I/05 liegen, führen. Von daher ist Nr 3.4 AÄRL bzw § 23f BedarfsplRL-Ä dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass die Berechnung des Anpassungsfaktors auf der Grundlage identischer Aufsatzquartale (hier: Quartale I bis IV/04) vorzunehmen ist.
2. Partner einer Job-Sharing-Praxis können zu gleichen Leistungsanteilen berücksichtigt werden, soweit die Festsetzung des Zulassungsausschusses hiervon ausgeht.
3. Für die Berechnung der Rückforderung aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellung im Falle von Budgetierungen bleibt der praxisindividuelle Punktwert maßgebend (vgl BSG vom 11.3.2009 - B 6 KA 62/07 R = BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr 7 = USK 2009-11). Dies gilt auch für eine Rückforderung aufgrund der Überschreitung einer Obergrenze für eine Job-Sharing-Praxis.
Tenor
1. Der Rückforderungsbescheid Job-Sharing vom 30.07.2008 betreffend die Quartale III/06 bis II/07 (2. Leistungsjahr), abgeändert durch den Bescheid vom 02.06.2009 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 29.07.2009, wird insoweit aufgehoben, als ein den Betrag von 14.276,26 € brutto übersteigender Berichtigungsbetrag festgesetzt wurde.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Klägerin hat 1/3, die Beklagte 2/3 der Gerichtskosten zu tragen. Die Beklagte hat 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine sachlich-rechnerische Honorarberichtigung wegen Überschreitung des Praxisumfangs bei Beschäftigung eines angestellten Arztes im Rahmen eines sog. Job-Sharings in Höhe von noch 38.359,59 € brutto für die vier Quartale III/06 bis II/07 (2. Leistungsjahr).
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis mit zwei Hautärzten, die zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen sind. Mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte vom 21.06.2005 wurde der Klägerin die Beschäftigung des Hautarztes Dr. med. AA als ganztags angestellter Arzt gem. § 101 Abs. 1 Nr. 5 SGB V i. V. m. § 32b Ärzte-ZV genehmigt. Im Beschluss des Zulassungsausschusses wurde nach den Angestellte-Ärzte-Richtlinien zur Beschränkung des Praxisumfangs auf der Grundlage der vier vorausgegangenen Quartale (I/04 bis IV/04) ein quartalsbezogenes Gesamtpunktzahlvolumen, welches bei der Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen im Rahmen der Gemeinschaftspraxis für Herrn Dr. AA nach Beschäftigung des angestellten Praxisarztes als Leistungsbeschränkung maßgeblich ist, wie folgt festgelegt.
|
Jahresquartal |
Gesamtpunktzahlvolumen für das 1. Leistungsjahr |
I |
1.761.231,4 |
II |
1.646.487,2 |
III |
1.700.837,9 |
IV |
1.794.003,8 |
Ab dem 2. Leistungsjahr werde das quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumen entsprechend den Richtlinien angepasst. Der Beschluss wurde bestandskräftig.
Die Beklagte setzte das Honorar der klägerischen Gemeinschaftspraxis in den Quartalen I/04 bis II/06 wie folgt fest:
|
|
I/04 |
II/04 |
III/04 |
IV/04 |
Honorarbescheid vom |
05.08.2004 |
09.10.2004 |
06.02.2005 |
18.04.2005 |
Bruttohonorar PK + EK in € |
122.792,39 |
123.268,89 |
120.491,58 |
126.240,03 |
Fallzahl PK + EK |
4.494 |
4.504 |
4.864 |
4.538 |
Angefordertes Honorar Basis EBM in € |
178.230,01 |
166.705,82 |
171.975,13 |
181.197,73 |
Anerkannte Honorarforderung nach Anw. HVV in € |
178.230,01 |
166.705,82 |
171.975,13 |
181.197,73 |
|
|
I/05 |
II/05 |
III/05 |
IV/05 |
Honorarbescheid vom |
|
29.06.2006 |
12.08.2006 |
28.11.2006 |
Bruttohonorar PK + EK in € |
|
120.248,50 |
104.160,93 |
125.583.62 |
Fallzahl PK + EK |
|
4.675 |
4.949 |
4.669 |
Angefordertes Honorar Basis EBM in € |
170.898,32 |
191.994,32 |
172.961,93 |
204.121,71 |
Anerkannte Honorarforderung nach Anw. HVV in € |
|
188.936,96 |
172.961,93 |
204.121,71 |
|
|
I/06 |
II/06 |
Honorarbescheid vom |
20.01.2007 |
05.02.2007 |
Bruttohonorar PK + EK in € |
113.212,42 |
122.775,58 |
Fallzahl PK + EK |
4.670 |
4.788 |
Angefordertes Honorar Basis EBM in € |
213.071,25 |
208.264,80 |
Anerkannte Honorarforderung nach Anw. HVV in € |
211.975,33 |
208.264,80 |
Die Beklagte setzte das...