Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. patientenbezogene Plausibilitätsprüfung. Berechnung der Honorarkürzung. Schätzungsermessen. Berücksichtigung. kein organisierter ärztlicher Bereitschaftsdienst
Leitsatz (amtlich)
Bei der Berechnung einer Honorarkürzung aufgrund einer patientenbezogenen Plausibilitätsprüfung ist im Rahmen des Schätzungsermessens zu berücksichtigen, dass ein organisierter Ärztlicher Bereitschaftsdienst nicht stattgefunden hat.
Orientierungssatz
Az beim LSG Darmstadt: L 4 KA 24/18.
Tenor
1. Der Bescheid vom 12.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2016 wird insoweit aufgehoben, als eine höhere Honorarkürzung für das Quartal I/13 von mehr als 4.053,00 €, II/13 mehr als 1.766,98 €, III/13 mehr als 3.236,35 € und IV/13 mehr als 4.701,12 € festgesetzt wird.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Kläger hat 72 %, die Beklagte hat 28 % der notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Honorarrückforderungen in Höhe von 69.742,17 € aufgrund von patientenbezogenen Plausibilitätsprüfungen der Honorarabrechnungen der neun Quartale I/13 bis I/15, die die Beklagte insb. mit Hilfe eines Praxisabgleichs innerhalb der Praxisgemeinschaft des Klägers mit Herrn Dr. C. mit einem Anteil gemeinsamer Patienten von 41,39 % und 62,51 % durchgeführt hat.
Der 1953 geb. Kläger ist als praktischer Arzt seit 12.12.1995 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt, A-Straße, zugelassen. Herr Dr. C., geb. 1942, ist als praktischer Arzt seit 27.10.1981, seit 16.01.1995 als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz wie der Kläger zugelassen. Sie führten in den Quartalen IV/06 bis IV/07 eine Berufsausübungsgemeint, ebenso wieder ab dem Quartal III/15.
Die Beklagte führte zunächst für die Quartale I/08 bis IV/10 eine patientenbezogene Plausibilitätsprüfung durch. Mit Schreiben vom 17.01.2012 nahm sie eine Verfahrenseinstellung mit beratendem Hinweis vor. Darin führte sie weiter aus, die Praxis des Klägers sei mit der Praxis des Dr. C., mit der er eine Praxisgemeinschaft bilde, gegenübergestellt worden. Nach den aufgeführten Berechnungsergebnissen habe der Anteil identischer Patienten im Quartal II/08 bei 18,7 %, in den übrigen Quartalen zwischen 44,07 % und 66,29 % gelegen. Als Tendenz sei zwar - wie in den Vorquartalen - zu erkennen, dass der zu vertretende Arzt an vielen Tagen tatsächlich nicht gearbeitet und auch öfters zusammenhängend über mehrere Tage Urlaub gehabt habe (lt. Tagesprofil). Aber in den Fällen, in denen kein zusammenhängender Urlaub über mehrere Tage festzustellen gewesen sei, sei der zu vertretende Arzt zeitweise kurzfristig in der Praxis oder habe ein bis drei Besuche gefahren. Positiv zu berücksichtigen sei die besondere Situation der beiden Praxen im Rahmen der Bereitschaftsdienste auf dem sog. flachen Land. Die Diagnosen seien in ca. 70 % der Fälle abweichend. Es handele sich ausschließlich um Urlaubs- und Krankheitsvertretungen mit der Scheinart 42; Überweisungen zum Zweck von besonderen Untersuchungen hätten nicht stattgefunden. Die Behandlung durch beide Ärzte sei nicht immer plausibel nachzuvollziehen. Das Abrechnungsverhalten erwecke daher den Verdacht, dass der Kläger mit Herrn Dr. C. in weiten Bereichen wie eine Berufsausübungsgemeinschaft zusammenarbeite. Dies zeige sich an der hohen Zahl von bis zu 750 gemeinsamen Patienten. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.2012 als unzulässig zurück. Die Beklagte setzte ferner mit Bescheid vom 28.08.2014 auf Grund einer patientenbezogenen Plausibilitätsprüfung der Honorarabrechnung für die Quartale I/11 bis IV/12 eine Honorarrückforderung in Höhe von insg. 25.365,22 € fest. Die Praxis des Klägers sei wiederum mit der Praxis des Dr. C., mit der er eine Praxisgemeinschaft bilde, gegenübergestellt worden. Es hätte sich bei dem Kläger ein Anteil gemeinsamer Patienten zwischen 59,43 % und 66,70 % ergeben. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2015 als unbegründet zurück.
In den Quartalen I/13 bis I/15 setzte die Beklagte das Honorar des Klägers jeweils wie folgt fest:
|
Quartal |
I/13 |
II/13 |
III/13 |
IV/13 |
Honorar PK/EK/SKT in € |
51.388,10 |
52.018,62 |
50.438,89 |
55.340,62 |
Fallzahl |
1.065 |
1.001 |
1.013 |
1.130 |
|
Quartal |
I/14 |
II/14 |
III/14 |
IV/14 |
Honorar PK/EK/SKT in € |
46.096,71 |
48.280,75 |
50.902,43 |
53.261,02 |
Fallzahl |
991 |
908 |
1.035 |
906 |
|
Quartal |
I/15 |
Honorar PK/EK/SKT in € |
53.409,96 |
Fallzahl |
914 |
Die Beklagte forderte den Kläger unter Datum vom 08.02.2016 aufgrund einer Plausibilitätsprüfung der Quartalsabrechnung für die Quartale I/13 bis II/15 zu einer Stellungnahme auf. Sie habe die Honorarabrechnung des Klägers zusammen mit der Honorarabrechnung der Praxis Dr. med. C. in A-Stadt, mit der der Kläger eine Praxisgemeinschaft gebildet habe, einer Plausibilitätsprüfung unterzogen und beide Abrechnungen gegenübergestellt. Hierbei habe sie eine Anzahl von geme...