Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragspsychotherapeutische Versorgung. Nachfolgezulassung. fachliche Identität. Zulassungsgremien. regionaler Versorgungsgrad

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Psychologischer Psychotherapeut kann die Praxis einer Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin nach § 103 Abs 4 SGB 5 übernehmen. Die Auffassung, ein Psychologischer Psychotherapeut könne einen ärztlichen Vertragsarztsitz nicht voll einnehmen, eine Nachfolgezulassung sei nur innerhalb der Gruppen der Ärzte, der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zulässig, findet insoweit im Gesetz keine Stütze.

2. Für die fachliche Identität bei einer Praxisnachfolge ist darauf abzustellen, ob der Praxisübernehmer in der Lage ist, die Praxis im Wesentlichen fortzuführen, also den Teil der Sicherstellung der Versorgung gewährleisten kann, den zuvor der die Praxis abgebende Leistungserbringer erbracht hat.

3. Die Zulassungsgremien haben bei der Nachfolgezulassung eines psychologischen Psychotherapeuten in den Vertragsarztsitz einer ärztlichen Psychotherapeutin Nr 22b ÄBedarfsplRl (sogenannte 40/40/20-Regelung) nicht zu beachten.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen zu 1) und 9) sowie die Gerichtskosten zu tragen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine Zulassung des Beigeladenen zu 1) zur vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit als Psychologischer Psychotherapeut im Rahmen einer Praxisnachfolge der Beigeladenen zu 9), einer Ärztin, in C-Stadt.

Die Beigeladene zu 9) war als Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin mit Praxissitz in C-Stadt zugelassen. Aufgrund Verzichts stellte der Zulassungsausschuss/Psychotherapie bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen mit Beschluss vom 15.12.2005 fest, dass ihre Zulassung zum 31.12.2005 endet.

Der Beigeladene zu 1) ist seit 1999 approbierter Psychologischer Psychotherapeut und seit 11.01.2000 in das Psychotherapeutenregister in Hessen eingetragen.

Die Beigeladene zu 9) gab ihren Kassenarztsitz zur Ausschreibung, auf den sich auch der Beigeladene zu 1) am 22.11.2005 bewarb.

Mit Datum vom 08.11.2005 teilte die Beigeladene zu 9) dem Zulassungsausschuss mit, trotz intensiver Bemühungen sei es ihr nicht gelungen, einen ärztlichen Nachfolger zu finden. Sie bitte daher darum, den Kassenarztsitz an einen psychologischen Bewerber zu vergeben. Andernfalls würde dem Sicherstellungsauftrag entgegengearbeitet als auch ihrem berechtigten wirtschaftlichen Interesse.

Der Zulassungsausschuss/Psychotherapie bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen ließ den Beigeladene zu 1) mit Beschluss vom 15.12.2005 (Beschlussausfertigung am 23.12.2005) zur Übernahme des gem. § 103 Abs. 4 SGB V ausgeschriebenen Vertragsarztsitzes in C-Stadt, C-Straße, Landkreis H-Stadt zur vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit zu und wies die Anträge der vier weiteren Bewerber, allesamt Psychologische Psychotherapeuten, zurück. In der Begründung heißt es u. a., da keine Bewerbung eines ärztlichen Psychotherapeuten vorgelegen habe, habe man dem Antrag des Beigeladenen zu 1) stattgegeben. Die Zulässigkeit ergebe sich aus § 101 Abs. 2 SGB V. Überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätige Ärzte und Psychotherapeuten bildeten danach eine Arztgruppe.

Hiergegen legte Klägerin am 17.01.2005 Widerspruch ein. Sie führte aus, die Zulassungsgremien hätten auch Nr. 22b der Bedarfsplanungs-Richtlinien zu beachten.

Danach müssten jeweils mindestens 40 % der Psychotherapeuten ärztliche bzw. psychologische Psychotherapeuten sein. Die “40/40/20-Regelung„ habe zur Folge, dass in einem Nachbesetzungsverfahren ein psychologischer Psychotherapeut nicht Nachfolger eines ärztlichen Psychotherapeuten werden könne. Dies gelte auch dann, wenn es keinen ärztlichen Psychotherapeuten als Bewerber für den ausgeschriebenen Vertragsarztsitz gebe. Der ausgeschriebene Vertragsarztsitz müsse dann frei bleiben. Andernfalls werde im Ergebnis die Bedarfsplanung unterlaufen. Hintergrund sei, dass für psychologische Psychotherapeuten grundsätzlich Zulassungsbeschränkungen bestünden, während ärztliche Psychotherapeuten auf Grund des bestehenden Nachwuchsproblems noch freie Kontingente hätten. Bei einer Besetzung mit einem psychologischen Psychotherapeuten steige deren Anteil und sinke der Anteil der ärztlichen Psychotherapeuten. Da der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen mit Beschluss vom 31.08.2005 für die Fachgruppe der ärztlichen Psychotherapeuten und die Fachgruppe der psychologischen Psychotherapeuten im Planungsbereich Landkreis H-Stadt Zulassungsbeschränkungen angeordnet habe, könne der Vertragsarztsitz der Beigeladenen zu 9) nicht mit einem psychologischen Psychotherapeuten nachbesetzt werden. Die Quotierung sei nicht auf Neuzulassungen beschränkt. Der psychologische Psychotherapeut könne einen ärztlichen Vertragsarztsitz nicht voll einnehmen. Eine Nachfolgezulassung sei nur innerhalb der Gruppen der Ärzte, der ...

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