Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Verordnung von Arzneimitteln im Rahmen des Off-Label-Use. Arzneikostenregress bei der Behandlung mit Sildenafil bei pulmonaler Hypertonie

 

Leitsatz (amtlich)

Einer Patientin, die an einer pulmonalen Hypertonie erkrankt war und mit Ilomedin inhalativ behandelt wurde, konnte bei Verschlechterung ihres Gesundheitszustands im Jahr 2001 zur Stabilisierung zusätzlich Sildenafil im Rahmen eines sog Off-Label-Use verordnet werden. Soweit eine andere Medikation ein Jahr später zur Verfügung stand, konnte die Kombinationstherapie mit Sildenafil fortgesetzt werden, wenn eine Umstellung aus medizinischen Gründen unzumutbar war. Soweit ein Versorgungsanspruch besteht, ist ein Arzneikostenregress ausgeschlossen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 09.02.2011; Aktenzeichen B 6 KA 53/10 B)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten und des Beigeladenen zu 10) zu tragen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Festsetzung von Arzneikostenregressen gegen die Beigeladene zu 10) für die 16 Quartale III/01 - II/05 im Behandlungsfall der bei der Klägerin versicherten Patientin U. W. wegen der Verordnung des Wirkstoffs Sildenafil im Rahmen eines sog. Off-Label-Use.

Die Beigeladene zu 10) ist ein Universitätsklinikum in der Form einer GmbH. Sie betreibt die medizinische Klinik II in A-Stadt, die wiederum eine Ambulanz für pulmonale Hypertonie betreibt. In den streitbefangenen Quartalen wurde in der Ambulanz für die am 03.09.1934 geborene und bei der Klägerin versicherte Patientin U. W. das Medikament Viagra mit dem Wirkstoff Sildenafil im Rahmen eines sog. Off-Label-Use verordnet. Die Klägerin stellte beim Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkasse in Hessen verschiedene Anträge auf Festsetzung eines Arzneikostenregresses, die der Prüfungsausschuss mit verschiedenen Bescheiden jeweils ablehnte. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Die einzelnen Daten der Anträge, der Verordnungen, der Kosten der Verordnungen, die Daten der Bescheide des Prüfungsausschusses und die Daten der Widerspruchsschreiben ergeben sich aus nachfolgender Übersicht:

Antrag v./Eingang am

Verordnung v.

Betrag in €

Prüfungsausschuss Bescheid. v.

Widerspruch v.

III/01

20.09.2002/23.09.2002

05.09.2001

2.276,84

17.02.2003

10.03.2003

IV/01

13.11.2001

890,62

I/02

03.03.2003/12.03.2003

07.01.2002

1.802,32

05.06.2003

16.06.2003

II/02

10.04.2002

1.501,93

19.06.2002

450,58

III/02

26.07.2002

1.501,03

IV/02

16.09.2003/29.09.2003

01.10.2002

 1.802,31

28.11.2003

09.12.2003

I/03

01.12.2003/22.12.2003

11.01.2003

1.333,30

12.08.2005

08.09.2005

II/03

09.04.2003

1.599,96

III/03

24.06.2004/29.06.2004

10.07.2003

1.599,96

IV/03

08.10.2003

1.599,96

I/04

16.11.2003/22.12.2004

19.01.2004

1.263,36

II/04

20.05.2005/30.05.2005

07.04.2004

1.383,36

III/04

06.07.2004

806,96

IV/04

07.10.2004

1.383,36

I/05

16.11.2005/02.12.2005

24.01.2005

1.152,50

05.04.2006

16.05.2006

II/05

09.04.2005

1.633,44

Zur Begründung ihrer Anträge führte die Klägerin aus, die Poliklinik der Beigeladenen zu 10 habe Viagra außerhalb der zugelassenen Indikationen verordnet. Viagra sei als selektiver Hemmstoff der Phosphodiesterase vom Typ 5 bisher ausschließlich zur Behandlung der erektilen Dysfunktion zugelassen. Derzeit lägen laut aktueller Aussage des Herstellers noch keine Daten aus großen placebokontrollierten Studien zu Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in der Behandlung der pulmonalen Hypertonie vor. Ein Einsatz von Viagra bei dieser Indikation könne auch außerhalb klinischer Studien von der Firma Pfizer nicht empfohlen werden. Zudem werde an eine Erweiterung der Zulassung für Viagra in Kombination mit Ilomedin zur Behandlung der pulmonalen Hypertonie zurzeit nicht gedacht. Mit der staatlichen Zulassung eines Arzneimittels sei davon auszugehen, dass Qualität und Wirksamkeit dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprächen. Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Arzneimittelverordnungen seien damit in Sinne des Krankenversicherungsrechts erfüllt. Nach § 29 Abs. 3 AMG müsse bei einer Indikationserweiterung eine neue Zulassung beantragt werden. Das BSG habe in seinem Urteil vom 19.03.2003 den Einsatz von Arzneimitteln außerhalb der zugelassenen Indikation (Off-Label-Use) zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung an bestimmte Kriterien gebunden. Sie beantrage die Festsetzung eines sonstigen Schadens und melde ihren Schadensersatzanspruch an.

Die Beigeladene zu 10) erklärte zu den Anträgen der Klägerin, sie verordne Viagra in der Indikation pulmonale arterielle Hypertonie und chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie unter bestimmten Voraussetzungen, seit dem Jahre 2000 eine Publikation auf eine sehr deutliche Besserung im Einzelfall hingewiesen habe und sie eine signifikante akute Wirkung bei Katheteruntersuchung direkt habe nachweisen können. Sie sehe in der klinischen Praxis sehr gute Erfolge und eine geringe Rate an Nebenwirkungen. Auch unter ...

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