Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Bindung der Vertragsparteien eines Honorarverteilungsvertrages an Vorgaben des Bewertungsausschusses
Leitsatz (amtlich)
Die Vertragsparteien eines Honorarverteilungsvertrages (HVV) sind an die Vorgaben des Bewertungsausschusses im Beschluss in seiner 93. Sitzung am 29.10.2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 85 Abs 4 SGB 5 mit Wirkung zum 1.1.2005 (DÄ 2004, A 3129) gebunden (vgl SG Marburg vom 26.9.2007 - S 12 KA 822/06 - und LSG Darmstadt vom 23.4.2008 - L 4 KA 69/07). Der HVV kann deshalb nicht ergänzend zu einem Regelleistungsvolumen eine -Ausgleichsregelung- vorsehen, die bei Überschreiten eines Fallwerts im Vorjahresquartal von mehr als 105% u. U. zu einer Honorarkürzung führt. Soweit die -Ausgleichsregelung- bei Unterschreiten des Referenzfallwertes um mehr als 5% u. U. zu einem Ausgleichsbetrag führt, ist dies jedenfalls für eine Übergangszeit von vier Quartalen als -Härtefallregelung- hinzunehmen.
Tenor
1. Unter Abänderung des Honorarbescheids für das Quartal I/06 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2007 wird die Beklagte verurteilt, den Kläger unter der Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beteiligten haben jeweils zu ½ die Gerichtskosten zu tragen. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Honorars für das Quartal I/06 und hierbei insbesondere um die Ausgleichsregelung nach Ziff. 7.5 HVV.
Der Kläger ist als Facharzt für innere Krankheiten seit 01.04.1976 mit Praxissitz in A Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Bis 31.03.2006 war er im hausärztlichen Versorgungsbereich tätig. Seine Praxis gehörte der Honorar(unter)gruppe A 2.1 an und war abrechnungstechnisch der Fachgruppe/Arztgruppe VfG 33-10 zugeordnet. Er erlitt am 31.12.2004 einen Schlaganfall und zeigte an mit Schreiben vom 12.01.2005, dass der Kollege W. KX., hausärztlich tätiger Internist, ab 17.01.2005 für drei Monate als Vertreter die Praxis leiten werde. Zum 31.03.2006 verzichtete der Kläger auf seine Zulassung.
Mit Honorarbescheid vom 20.01.2007 setzt die Beklagte das Bruttohonorar im Bereich der Primär- und Ersatzkassen für 624 Behandlungsfälle auf insgesamt 29.605,99 € fest. Für das praxisbezogene Regelleistungsvolumen gem. Ziff. 6.3HVV ging sie von einem Fallwert von 831,2 Punkten und einem Regelleistungsvolumen von 515.327,0 Punkten aus. Bei einem abgerechneten Honorarvolumen von 610.020,0 Punkten betrug die Überschreitung 94.676,0 Punkte. Eine fallzahlabhängige Quotierung gem. Ziff. 5.2.1HVV führte die Beklagte nicht durch, da die Arzt-/Fachgruppe mit ihrer gesamten Fallzahlentwicklung im aktuellen Quartal im Vergleich zum Ausgangsquartal um weniger als 1% gestiegen war. Für die Ausgleichsregelung gem. Ziff. 7.5 HVV ging die Beklagte für das Quartal I/05 von einem maßgeblichen Honorar in Höhe von 25.881,72 € aus. Dies entsprach bei 772 Fällen im Quartal I/05 einem Referenz-Fallwert von 33,5255 €. Für das Quartal I/06 ging die Beklagte von einem maßgeblichen Honorar in Höhe von 24.842,28 € aus. Bei 624 Fällen ergab dies einen relevanten Fallwert von 39,8113 €. Hieraus errechnete sie einen fallbezogenen Kürzungsbetrag von 5,3086 € und insgesamt bei 624 Fällen einen Kürzungsbetrag von 3.312,59 €.
Hiergegen legte der Kläger am 13.03.2007 Widerspruch ein. Er trug vor, im Quartal I/05 sei seine Praxis aufgrund seiner Erkrankung geschlossen gewesen, bis er eine Vertretung gefunden habe. In den nachfolgenden Quartalen des Jahres 2005 seien die Referenzfallwerte höher gewesen, sie hätten 38,2581 €, 37,2304 € bzw.39,4444 € in den Quartalen II bis IV/05 betragen. Er beantrage deshalb, von einer fallzahlbezogenen Kürzung abzusehen. Sein Honorar sei bereits krankheitsbedingt in dem Quartal I/05 geringer gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2007, dem Kläger am 31.07. zugestellt, wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, gem. Ziff. 7.5 könne zur Vermeidung von praxisbezogenen Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM 2005 eine Ausgleichsregelung zur Anwendung kommen. Insoweit werde nach Vorlage des Abrechnungsergebnisses im aktuellen Quartal eine fallbezogene Überprüfung, soweit es sich um Leistungen aus dem budgetierten Teil der Gesamtvergütung handele, im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal vorgenommen. Weiche der Fallwert dabei mehr als 5% nach oben oder nach unten ab, könne ein Ausgleich im Sinne der Auffüllung bei Abweichungen von mehr als 5% nach unten (bis zur Differenz von 5%) bzw. alternativ eine Kappung des Fallwertzuwachses bei einem Wachstum von mehr als 5% nach oben erfolgen. Die Ausgangsdaten für die sog. +/- 5%-Ausgleichsregelung gem. Ziff 7.5 HVV könne nur insoweit angepasst werden, als entsprechende Daten aus den Quartalen des Jahres 2005 der eigenen Pra...