Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenärztliche Vereinigung. Honorarkürzung für eine im Wachstum befindliche junge Praxis. Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Ausgleichsregelung in einem Honorarverteilungsvertrag, wonach zur Vermeidung von praxisbezogenen Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM 2005 (juris: EBM-Ä 2005) ein Vergleich des für das aktuelle Abrechnungsquartal berechneten fallbezogenen Honoraranspruches der einzelnen Praxis mit der fallbezogenen Honorarzahlung im entsprechenden Abrechnungsquartal des Jahres 2004 erfolgt und in dem Fall, dass der Fallwertvergleich eine Fallwertminderung oder Fallwerterhöhung von jeweils mehr als 5 % (bezogen auf den Ausgangswert des Jahres 2004) zeigt, zu einer Begrenzung oder Stützung auf den maximalen Veränderungsrahmen von 5 % führt, kann für sog junge Praxen in der Aufbauphase im Fall einer Honorarkürzung nur bis zum Durchschnittshonorar der Fachgruppe angewandt werden (Fortführung von SG Marburg vom 16.1.2008 - S 12 KA 188/07 und vom 12.3.2008 - S 12 KA 236/07).

 

Tenor

1. Unter Abänderung des Bescheids vom 17.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 10.05.2007 wird die Beklagte verurteilt, die Klägerin hinsichtlich ihres Antrags bzgl. der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV für die Quartale II bis IV/06 unter Beachtung der Rechtsauffassung der Gerichts neu zu bescheiden.

2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine Sonderregelung bezüglich der Ausgleichsreglung nach Ziffer 7.5 HVV noch für die Quartale II bis IV/06.

Die Klägerin ist als Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten mit der Zusatzbezeichnung Allergologie seit 08.04.2005 mit Praxissitz in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie hat ihre Praxis von Herrn D übernommen, dessen Zulassung zum 31.12.2004 endete. Nach Übernahme der Praxis hat sie den Praxissitz innerhalb von A-Stadt verlegt (Entfernung ca. 3 km). Die Beklagte setzte das Honorar der Klägerin für die Quartale ab II/05 jeweils mit Honorarbescheid fest. Im Einzelnen ergeben sich die Festsetzungen aus nachfolgender Tabelle:

II/05

III/05

IV/05

I/06

II/06

Honorarbescheid v.

23.01.2006

12.08.2006

28.11.2006

04.02.2007

Bruttohonorar PK + EK in Euro

4.281,62

4.757,35

5.965,20

10.389,84

Fallzahl Kl.

256

340

303

638

Fallzahl Fachgruppe

1.951

1.872

RLV Ziff. 6.3 HVV

Abgerechnetes Honorarvolumen in Punkten

235.902

242.407,0

174.950,0

410.165

Überschreitung in Punkten

92.560

50.545,0

4.512,5

46.505

Ausgleichsregelung Ziff. 7.5 HVV

Fallzahl Referenzquartal

1.087

965

0

256

Fallwert Referenzquartal in Euro

15,9286

14,1710

0

14,5303

Aktueller Fallwert in Euro

19,7530

17,2225

19,1395

21.4596

Kürzungsbetrag pro Fall in Euro

3,0280

3,6216

--

5,5637

Kürzungsbetrag gesamt in Euro

775,17

1.231,36

3.549,66

Fallwert nach Ausgleich

16,725

13,5949

15.8959

Fallwert nach Ausgleich im Verhältnis zum Referenzfallwert

105,0 %

95,9 %

109,4 %

Abhilfe

Ausgesetzt durch B. v. 26.06.2006

Ausgesetzt durch B. v. 26.06.2006

Ausgesetzt durch B. v. 26.06.2006

Ausgesetzt durch B. v. 26.06.2006

III/06

IV/06

I/07

II/07

III/07

Honorarbescheid v.

17.03.2007

18.04.2007

17.07.2007

17.10.2007

17.01.2008

Bruttohonorar PK + EK in Euro

13.752,13

10.585,66

13.112,26

19.023,43

14.933,66

Fallzahl Kl.

661

500

717

990

806

Fallzahl Fachgruppe RLV Ziff. 6.3 HVV

Abgerechnetes Honorarvolumen in Punkten

440.875,0

354.529,0

443.152,0

584.491,0

542.917,0

Überschreitung in Punkten

65.625,3

70.229,0

34.605,4

20.191,0

82.288,0

Ausgleichsregelung Ziff. 7.5 HVV

Fallzahl Referenzquartal

340

303

412

256

340

Fallwert Referenzquartal in Euro

17,2225

19,1395

17,4154

14,5303

17,2225

Aktueller Fallwert in Euro

20,1026

21,0671

17,3201

18,9495

18,1989

Kürzungsbetrag pro Fall in Euro

0,8470

1,6858

--

--

--

Kürzungsbetrag gesamt in Euro

559,87

842,91

Fallwert nach Ausgleich

19,2556

19,3813

Fallwert nach Ausgleich im Verhältnis zum Referenzfallwert

111,8 %

101,3 %

* Berechnungen der Kammer

Am 17.02.2006 wandte sich die Klägerin an die Beklagte wegen erheblicher Kürzungen des Honorars in den Quartalen II und III/05 im Vergleich mit den Abschlagszahlungen. Dies liege an der extrem niedrigen Honorierung pro Schein, die unter dem Fachgruppendurchschnitt liege und aus der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV resultiere. Ihr Vorgänger habe im Vergleichsquartal in einer wirtschaftlich sehr schwachen Praxis eine sehr niedrige Honorierung erzielt, die sie nun mit starken Kürzungen treffe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 21.10.1998 “B 6 KA 71/97„)sei eine Beschränkung des Vergütungsanspruchs eines Vertragsarztes auf das in früheren Zeiträumen erreichte Leistungsvolumen mit dem Grundsatz der Verteilungsgerechtigkeit unvereinbar, soweit Vertragsärzte mit unterdurchschnittlicher Fallzahl, insbesondere Inhaber neugegründeter Praxen, ihren Umsatz durch eine Erhöhung der Zahl der von ihnen behandelten Patienten nicht zumindest bis zum durchschnittlichen Umsatz ...

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