Entscheidungsstichwort (Thema)

Kürzung des vertragsärztlichen Honorars wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise

 

Leitsatz (amtlich)

Es entspricht allgemeiner zahnmedizinischer Erfahrung, dass Drogenabhängige bereits im Rahmen des Drogenentzugs umfassend zahnmedizinisch versorgt werden (vgl. SG Marburg, Urt. v. 29.04.2009 - S 12 KA 139/08 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 51).

Ein Vertrags(zahn)arzt ist in zeitlicher Hinsicht darauf beschränkt, seiner Darlegungslast bzgl. des Bestehens von Praxisbesonderheiten und kompensatorischen Ersparnissen im Verwaltungsverfahren bis zur Entscheidung des Beschwerdeausschusses nachzukommen (vgl. BSG, Urt. v. 15.11.1995 - 6 RKa 58/94 - SozR 3-1300 § 16 Nr. 1 = USK 95137, juris Rdnr. 26).

 

Orientierungssatz

1. Die Krankenkassenverbände können mit den Kassenärztlichen Vereinigungen zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung die Überprüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten oder auf der Grundlage von Stichproben vereinbaren. Beide Prüfmethoden stehen gleichberechtigt nebeneinander.

2. Wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nach Durchschnittswerten beurteilt, so gilt der Anscheinsbeweis der Unwirtschaftlichkeit als erbracht, wenn der maßgebliche Fachgruppendurchschnitt um 40 % überschritten wird.

3. Zur Begründung einer Praxisbesonderheit muss ein Vertragsarzt im Einzelnen darlegen, wie hoch der Anteil der einen Mehraufwand begründenden Patienten im Verhältnis zur Vergleichsgruppe ist und wie die herangezogenen äußeren Umstände sich im konkreten Behandlungsfall auf den Behandlungsbedarf in seiner Praxis auswirken. Dieser Mitwirkungsobliegenheit hat der Vertragsarzt grundsätzlich im Verwaltungsverfahren bis zur Entscheidung des Beschwerdeausschusses zu genügen.

4. Das Recht der Wirtschaftlichkeitsprüfung ist dadurch gekennzeichnet, dass es auf eine besondere Vorwerfbarkeit für eine festgestellte unwirtschaftliche Betrachtungsweise nicht ankommt. Bei der Festlegung der Höhe der Honorarkürzung steht den Prüfgremien ein Ermessensspielraum zu. Die Honorarkürzung muss in angemessener Weise mit dem festgestellten Ausmaß der Unwirtschaftlichkeit korrespondieren.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat dem Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und trägt die Gerichtskosten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch um eine Honorarberichtigung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise im Bereich des Gesamtfallwertes in den elf Quartalen II/03 bis IV/05 in Höhe von insgesamt 57.476,38 Euro.

Die 1947 geb. Klägerin ist seit 1980 als Zahnärztin zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. In den zwölf Quartalen I/03 bis IV/05 ergaben sich folgende Abrechnungswerte der Klägerin (in nachfolgender Tabelle abgekürzt als VZA) im Vergleich mit den Abrechnungswerten der hessischen Vertragszahnärzte (VG):

Quartal

Fallzahl

Pkte. pro Fall

Mehrkosten pro Fall in Punkten

In %

I/2003

VZA*

343

110

30

37,5

VG**

478

80

II/2003

VZA*

313

115

40

53,3

VG**

465

75

III/2003

VZA**

325

110

35

46,7

VG**

474

75

IV/2003

VZA*

361

123

55

80,9

VG**

594

68

I/2004

VZA*

303

188

89

113,6

VG**

417

99

II/2004

VZA*

291

168

77

69,7

VG**

426

91

III/2004

VZA**

239

144

56

58,2

VG**

423

88

IV/2004

VZA*

267

137

58

73,4

VG**

522

79

I/2005

VZA*

289

198

102

106,3

VG**

410

96

II/2005

VZA*

282

149

56

60,2

VG**

438

93

III/2005

VZA**

255

154

64

71,1

VG**

408

90

IV/2005

VZA*

276

152

72

90,0

VG**

512

80

Nr. 13a (F1)Quartal

absolut

auf 100 Behandlungsfälle

Abweichung in %

I/2005

VZA*

249

86,2

260,7

VG**

23,9

II/2005

VZA*

155

55,0

144,4

VG**

22,5

III/2005

VZA**

112

43,9

100,5

VG**

21,9

IV/2005

VZA*

158

57,2

209,2

VG**

18,5

Nr. 13b(F2)Quartal

absolut

auf 100 Behandlungsfälle

Abweichung in %

I/2005

VZA*

345

119,4

272,0

VG**

32,1

II/2005

VZA*

240

85,1

169,3

VG**

31,6

III/2005

VZA**

229

89,8

194,4

VG**

30,5

IV/2005

VZA*

209

75,7

193,3

VG**

25,8

Nr. 13c (F3)Quartal

absolut

auf 100 Behandlungsfälle

Abweichung in %

I/2005

VZA*

153

52,9

232,7

VG**

15,9

II/2005

VZA*

76

27.0

82,4

VG**

14,8

III/2005

VZA**

90

35,3

143,4

VG**

14,5

IV/2005

VZA*

111

40,2

229,5

VG**

12,2

Nr. 13d (F4)Quartal

absolut

auf 100Behandlungsfälle

Abweichung in %

I/2005

VZA*

73

25,3

224,4

VG**

7,8

II/2005

VZA*

46

16,3

123,3

VG**

7,3

III/2005

VZA**

33

12,9

76,7

VG**

7,3

IV/2005

VZA*

41

14,9

148,3

VG**

6,0

Nach einem Auswahlverfahren für die Quartale I, II und IV/03 bzw. für das Quartal III/03 auf Antrag der Verbände der Krankenkassen führte der Prüfungsausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen in Hessen - 4. Kammer - eine Wirtschaftlichkeitsprüfung der Quartale I bis IV/03 durch. Der Prüfungsausschuss lud die Klägerin zu einer Prüfsitzung, an der sie teilnahm.

Mit Bescheid vom 22.06.2005, ausgefertigt am 08.09.2005, setzte der Prüfungsausschuss für die streitbefangenen Quartale I bis IV/03 eine Gesamthonorarberichtigung in Höhe von 12.762,35 € fest, die er mit Rücksicht auf die HVM-Einbehalte für das Jahr 20...

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