Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragszahnärztliche Versorgung. Streit über Honorarberichtigung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise. fehlende oder unzureichende Behandlungsdokumentation. keine scharfe Trennung zwischen Wirtschaftlichkeitsprüfung und Abrechnungskontrolle. Überlappungen bzw konkurrierende Zuständigkeiten der Prüfgremien und der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen. Wahlfeststellung bei erhöhtem Prüfaufwand

 

Orientierungssatz

1. Zum Streit über die Honorarberichtigung einer zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassenen Zahnärztin wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise in den Quartalen I und II/2015 im KCH-Bereich aufgrund einer eingeschränkten Einzelfallprüfung (ohne Hochrechnung) sowie weiterer Kürzungen im KB-Bereich und im PAR-Bereich.

2. Eine sachlich-rechnerische Berichtigung einer Honorarabrechnung hat einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nur dann zwingend vorauszugehen, wenn es sich um Abrechnungsunrichtigkeiten handelt, die offenkundig und aus den Behandlungsunterlagen ohne weiteres zu ersehen sind. Eine scharfe Trennung zwischen Wirtschaftlichkeitsprüfung und Abrechnungskontrolle ist weder praktisch durchführbar noch rechtlich geboten (vgl BSG vom 9.3.1994 - 6 RKa 18/92 = BSGE 74, 70 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 RdNr 23).

3. Soweit sich aus der Dokumentation ein schlüssiges Vorgehen nicht ergibt, können die Prüfgremien zwar die vollständige Leistungserbringung unterstellen, aber den Schluss ziehen, dass es an der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung fehlt (vgl ua SG Marburg vom 5.12.2018 - S 12 KA 127/18).

4. Nicht hinreichend dargelegte, dokumentierte und nachgewiesene Leistungen sind als nicht erbracht bzw als nicht erfüllt anzusehen und können nicht abgerechnet werden (vgl LSG Darmstadt vom 27.5.2015 - L 4 KA 50/12 = juris RdNr 166ff). Im Einzelfall können sich daher Überlappungen bzw konkurrierende Zuständigkeiten der Prüfgremien und der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen ergeben, je nachdem, ob aus der fehlenden oder unzureichenden Dokumentation auf den fehlenden Nachweis der Leistungserbringung oder auf die Unwirtschaftlichkeit geschlossen wird. Dies gilt auch für Qualitätsmängel der Leistungen, die jedenfalls auch zur sachlich-rechnerischen Berichtigung berechtigen.

5. Die Grenze der Prüfgremien für die Annahme einer vollständigen Leistungserbringung ist in den Fällen zu ziehen, in denen es sich um offenkundige, aus den Behandlungsunterlagen ohne weiteres zu ersehende Abrechnungsunrichtigkeiten handelt, die keines vertiefenden Prüfaufwands bedürfen. In diesen Fällen ist eine ausschließliche Zuständigkeit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung gegeben, soweit sich die Prüfgremien nicht auf eine Randzuständigkeit berufen können.

6. Eine Wahlfeststellung kommt nicht ausschließlich dann in Betracht, wenn sich die Frage, auf welcher alternativen Ursache der Mehraufwand beruht, nicht allein anhand der Behandlungsweise, sondern nur durch nachträgliche Befragung des Arztes oder der Patienten beantworten lässt, sondern bereits dann, wenn ein erhöhter Prüfaufwand besteht, da es dann an der Offenkundigkeit des Abrechnungsfehlers fehlt. Von einem erhöhten Prüfaufwand wird aber dann auszugehen sein, wenn die sachlich-rechnerische Berichtigung nicht allein maschinell oder durch zahnärztliche Prüfer erfolgen kann. Immer dann, wenn eine zahnmedizinische Expertise erforderlich ist, wird von einem erhöhten Prüfaufwand auszugehen sein, der eine Wahlfeststellung zulässt.

7. Az beim LSG Darmstadt: L 4 KA 38/19.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat dem Beklagten und den Beigeladenen zu 2), 3), 5) und 6) die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und trägt die Gerichtskosten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Sprungrevision zum Bundessozialgericht wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine Honorarberichtigung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise im KCH-Bereich in den Quartalen I und II/15 in Höhe von 25.812,48 € aufgrund einer eingeschränkten Einzelfallprüfung (ohne Hochrechnung) sowie weiterer Kürzungen im KB-Bereich in Höhe von 1.655,63 € und im PAR-Bereich in Höhe von 3.169,20 €, insgesamt um eine Honorarkürzung in Höhe von 30.637,31 €.

Die Klägerin ist als Zahnärztin zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassenen.

In den streitbefangenen Quartalen ergaben sich folgende Abrechnungswerte der Klägerin (in nachfolgender Tabelle abgekürzt als VZA) im Vergleich mit den Abrechnungswerten der hessischen Vertragszahnärzte (VG):

Quartal

Fallzahl

Pkte. pro Fall

Mehrkosten pro Fall in Punkten

In %   

I/2015

VZA*   

88    

191     

97    

103     

VG**   

506     

94    

II/2015

VZA*   

105     

162     

74    

84    

VG**   

514     

88    

Der Gemeinsame Ausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen in Hessen wählte am 23.09.2015 und 18.11.2015 die Praxis der Klägerin bzgl. des Quartals I/15 bzw. II/15 zur Prüfung aus. Daraufhin leitete die Gemeinsame Prüfungsstelle der Zahnärzte und Krankenkassen in Hessen für das streit...

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