Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. Pflegequalität. Streit über die Ergebnisse der Qualitätsprüfung. Transparenzbericht. einstweiliger Rechtsschutz gegen die Veröffentlichung. Eingriff in Wettbewerbsfreiheit. subjektives Werturteil. Regelung des § 115 Abs 1a SGB 11. Gebot des Vorbehalts des Gesetzes. Demokratieprinzip. Rechtsstaatsprinzip. Wesentlichkeitstheorie
Orientierungssatz
1. Es spricht viel dafür, die in § 115 Abs 1a SGB 11 vorgesehene Veröffentlichung der Prüfungsergebnisse von Pflegeeinrichtungen als Eingriff oder zumindest als "funktionales Äquivalent eines Eingriffs" in die grundrechtlich geschützte Wettbewerbsfreiheit der Träger der Pflegeeinrichtungen zu qualifizieren, da es sich hierbei um stark wertungsbezogene Feststellungen handelt.
2. Die Ermächtigung der in § 115 Abs 1a S 6 SGB 11 genannten Körperschaften, die Kriterien der Veröffentlichung einschließlich der Bewertungssystematik durch Vereinbarung zu regeln, begegnet erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf den für Grundrechtseingriffe geltenden Vorbehalt des Gesetzes.
3. Darüber hinaus begegnet die in § 115 Abs 1a SGB 11 getroffene Regelung gewichtigen Bedenken in Bezug auf die aus dem Demokratie- und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Wesentlichkeitstheorie.
Tenor
I. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegner vom 18.12.2009 festzustellen, wird abgelehnt.
II. Die Antragsgegner werden verpflichtet, die Veröffentlichung der Prüfungsbewertung für die von der Antragstellerin betriebene stationäre Pflegeeinrichtung A., H.-Straße, E., bis zum 30.06.2010 zu unterlassen.
III. Die Anordnung zu II gilt vorläufig, bis über den zugrunde liegenden Unterlassungsanspruch bestands- oder rechtskräftig entschieden ist.
IV. Die Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
V. Der Streitwert wird auf 5000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Gegenstand des Antragsverfahrens ist die Frage, ob die Antragsgegner berechtigt sind, die für den 15.01.2010 angekündigte Veröffentlichung einer Prüfungsbewertung gemäß § 115 Absatz 1a SGB XI im Internet vorzunehmen.
Die Antragstellerin ist Trägerin der stationären Pflegeeinrichtung A., H.-Straße, E. Die Antragsgegner sind die Landesverbände der Pflegekassen im Freistaat Thüringen.
Mit E-Mail vom 18.12.2009 kündigte der Antragsgegner zu 1 gegenüber der Leiterin der Pflegeeinrichtung in E. an, den aufgrund einer am 23.11.2009 durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung durchgeführten Qualitätsprüfung erstellten Transparenzbericht einschließlich der aufgrund der Transparenzvereinbarung nach § 115 Abs. 1a SGB XI gebildeten Noten spätestens innerhalb von 28 Tagen im Internet zu veröffentlichen. Die Antragstellerin wurde darauf hingewiesen, dass sie die Möglichkeit habe, einen Kommentar zu den Prüfergebnissen von maximal 3000 Zeichen inklusive Leerzeichen ins Internet einzustellen. Die E-Mail schließt mit dem Satz, es handele sich um eine automatische E-Mail, es werde gebeten, nicht zu antworten und sich bei Fragen an den eigenen Administrator zu wenden.
Mit Schreiben vom 05.01.2010 erhob die Antragstellerin beim Antragsgegner zu 1 Widerspruch gegen die mit Schreiben vom 18.12.2009 angekündigte Veröffentlichung von Prüfergebnissen und deren Bewertung.
Daraufhin teilte nach Angaben der Antragstellerin noch am 05.01.2010 die zuständige Sachbearbeiterin des Antragsgegners zu 1 der Antragstellerin vorab fernmündlich mit, dass unabhängig von dem Widerspruch der Antragstellerin die Ergebnisse ohne Veränderungen am Freitag, dem 15.01.2010, insbesondere im Internet veröffentlicht würden.
Am 12.01.2010 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht München einstweiligen Rechtsschutz beantragt.
Die Antragstellerin beantragt,
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1. |
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festzustellen, dass der Widerspruch der Antragstellerin vom 05.01.2010 gegen den Bescheid der Antragsgegner vom 18.12.2009 aufschiebende Wirkung hat, |
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2. |
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hilfsweise, den Antragsgegnern aufzugeben, es vorläufig zu unterlassen, die Prüfbewertung der Antragstellerin zu veröffentlichen. |
Die Antragsgegner wurden zu der Entscheidung nicht angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Antragsschriftsatz samt Anlagen Bezug genommen.
II.
Das Sozialgericht München war zur Entscheidung in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes als das Gericht der Hauptsache sachlich und örtlich zuständig (§ 86b Sozialgerichtsgesetz - SGG - in Verbindung mit §§ 8 und 57 SGG), da die Antragstellerin ihren Sitz im Bezirk des Sozialgerichts München hat.
1. Der Hauptantrag, festzustellen, dass der Widerspruch der Antragstellerin vom 05.01.2010 gegen den Bescheid der Antragsgegner vom 18.12.2009 aufschiebende Wirkung hat, war abzulehnen.
Ein solcher Antrag, der analog § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG grundsätzlich statthaft gewesen wäre, sofern es sich bei der Ankündigung vom 18.12.2009 tatsächlich um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X gehandelt hätte - was durchaus zweifelhaft ist -, war jedenfalls mangels R...