Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Anordnungsanspruch. Sozialgeld. Mehrbedarf. unabweisbarer laufender besonderer Bedarf. internetfähiger Laptop nebst Zubehör für den pandemiebedingten Schulunterricht im häuslichen Bereich. fehlende Unabweisbarkeit des Bedarfs durch mögliche Leihgeräte bzw Zuwendungen nach Förderrichtlinien des bayrischen Kultusministeriums. Mehrbedarf nur für notwendigen Drucker
Orientierungssatz
1. Ein Mehrbedarf gemäß § 21 Abs 6 SGB 2 für die Beschaffung eines internetfähigen Laptops nebst Zubehörs wegen des pandemiebedingten Schulunterrichts im häuslichen Bereich kann im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht gewährt werden, soweit nach den Förderrichtlinien des bayrischen Kultusministeriums vom 10.6.2020 Leihgeräte an den Schulen bereitgestellt werden sollen.
2. Unter verfassungskonformer Auslegung besteht jedoch ein Anordnungsanspruch für einen Mehrbedarf nach § 21 Abs 6 SGB 2 zur Beschaffung eines Druckers, wenn an der Grundschule keine Leihdrucker zur Verfügung gestellt werden.
Tenor
I. Es wird festgestellt, dass die Klage S 8 AS 1136/20 vom 03.07.2020 gegen den als Bescheid zur Ablehnung eines Antrags auf Erlass eines Änderungsbescheids nach § 44 SGB II auszulegenden Bescheid vom 14.05.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.06.2020 aufschiebende Wirkung hat.
II. Der Antragsgegner wird einstweilen verpflichtet, den Antragstellern vorläufig SGB-II-Leistungen in Höhe von einmalig insgesamt 89,99 Euro (Mehrbedarf zur Beschaffung eines Druckers) zu gewähren.
III. Im Übrigen wird der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt.
IV. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens zu 2/5.
Gründe
Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Hintergrund des durch die Corona-Pandemie verursachten Home-Schoolings die vorläufige Gewährung von SGB-II-Leistungen in Form eines Mehrbedarfs in Höhe von insgesamt 415,96 Euro für die Anschaffung eines internetfähigen Laptops, eines Druckers, einer Maus und eines Headsets.
Der Antragsteller zu 1. ist 2009 geboren und besucht im Schuljahr 2020/21 die 4. Klasse der Grundschule N., N-Straße, A-Stadt.
Die Antragstellerin zu 2. ist 2011 geboren und besucht im Schuljahr 2020/21 die 3. Klasse der Grundschule N., N-Straße, A-Stadt.
Zuletzt mit Bewilligungsbescheid vom 02.04.2020 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 30.06.2020 (Änderung für den Zeitraum Juli bis September 2020) bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern und ihren beiden Eltern SGB-II-Leistungen für die Zeit von Mai 2020 bis April 2021 ohne Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für die hier streitigen Geräte.
Mit Schreiben vom 08.05.2020 beantragte der Vater der Antragsteller beim Antragsgegner die Übernahme der Kosten für die Beschaffung eines internetfähigen Laptops in Höhe von 299,99 Euro, eines Druckers in Höhe von 89,99 Euro, für eine Maus in Höhe von 4,99 Euro und für ein Headset in Höhe von 19,99 Euro und somit Gesamtkosten in Höhe von 415,96. Diese seien als Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II zu gewähren. § 21 Abs. 6 SGB II sei auch unabhängig davon, dass die Geräte nur einmalig anzuschaffen seien, anwendbar. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung auch einmalig anzuschaffende, aber laufend benötigte Bedarfe als Härtefallmehrbedarf i.S.d. § 21 Abs. 6 SGB II zu zählen. Insofern werde auf die Urteile des BSG vom 08.05.2019 verwiesen (B 14 AS 6/18 R und B 14 AS 13/18 R). Dem Antrag waren entsprechende Angebote des D-Marktes (alle reduziert im Verhältnis zum ursprünglichen Originalpreis) beigefügt. Pandemiebedingt würde der Unterricht durch die Schulschließung derzeit nur noch im Internet stattfinden. Der Bedarf sei laufend, da die Schulschließung seit dem 17.03.2020 und damit im Zeitpunkt der Antragstellung länger als einen Monat andauere und der Zeitpunkt der Wiederaufnahme des regulären Unterrichts nicht feststehe.
Mit Bescheid vom 14.05.2020 lehnte der Beklagte den "Antrag vom 08.05.2020 auf Kostenübernahme für einen Laptop, Drucker, Maus und Headset für den Schulunterricht" ab. Begründet wurde der Bescheid wie folgt: Die beantragte Leistung sei keine Leistung nach dem SGB II. Die Leistungen für Bildung und Teilhabe würden u.a. eine Pauschale für den Schulbedarf umfassen (§§ 28 Abs. 3 SGB II, 34 Abs. 3 SGB XII). Für das notwendige Schulmaterial werde ab dem 01.08.2019 grundsätzlich jährlich ein Zuschuss von 150 Euro in zwei Teilbeträgen berücksichtigt (grundsätzlich zum 01. August 100 Euro und zum 01. Februar 50 Euro). Eine gesonderte Bildungs- und Teilhabeleistung zur Übernahme der Laptop-Kosten sei nach bisheriger Rechtslage nicht möglich.
Gegen diesen Bescheid vom 14.05.2020 legten die Antragsteller mit Schreiben vom 27.05.2020 Widerspruch ein, der durch den Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 29.05.2020 wie folgt begründet wurde: Entgegen der Auffassung des Antragsgegners sei in § 28 Abs. 3 SGB II der Anspruch auf Schulbedarf bzw. ...