Entscheidungsstichwort (Thema)

Altersrente für schwerbehinderte Menschen. verschlossener Arbeitsmarkt. arbeitsmarktbedingte Erwerbs-/Berufsunfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Erwerbs-/Berufsunfähigkeit nach dem am 31.12.2000 geltenden Recht iS des § 236a SGB 6 kann auch aufgrund eines verschlossenen Arbeitsmarktes bestehen. Auch eine arbeitsmarktbedingte Erwerbs-/Berufsunfähigkeit führt beim Vorliegen auch der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen zu einem Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

 

Tenor

I. Der Bescheid vom 13.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2009 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ab 1.9.2008 Altersrente für schwerbehinderte Menschen zu gewähren.

III. Die Beklagte trägt die Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen und insbesondere das Vorliegen von Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit nach dem am 31. Dezember 2000 geltenden Recht.

Die am 10.5.1945 geborene Klägerin war zuletzt als Baustoffprüferin tätig und beantragte am 13.5.2008 bei der Beklagten Altersrente für schwerbehinderte Menschen und Altersrente für Frauen. Bei ihr ist ein Grad der Behinderung von 30 festgestellt.

Die Beklagte gewährte der Klägerin Altersrente für Frauen ab 1.9.2008. Den Antrag auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen lehnte sie mit Bescheid vom 13.10.2008 ab. Sie führte aus, bei der Klägerin läge kein Grad der Behinderung von 50 und auch keine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vor. Die Beklagte verwies die Klägerin auf eine Tätigkeit als Maßprüferin oder Prüf-/Qualitätskontrolleurin. Den eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2009 zurück. Grundlage der Entscheidungen waren ein Gutachten des Allgemeinmediziners Dr. Zirngibl, der für die letzte Tätigkeit und den allgemeinen Arbeitsmarkt wegen einer Erschöpfungsdepression nur ein Leistungsvermögen von unter sechs Stunden täglich attestiert hatte, eine davon abweichende Bewertung des sozialmedizinischen Dienstes und ein Reha-Entlassungsbericht (Reha Oktober bis November 2007), der bei Entlassung ein Arbeitsfähigkeit bescheinigt hatte.

Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 14.12.2009 Klage zum Sozialgericht München erhoben. Das Gericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. D., Prof. Dr. K., Dr. F. und Dr. G. sowie die Gerichtsakte S 3 SB 425/08 des Sozialgerichts Landshut bezüglich des Rechtsstreits der Klägerin hinsichtlich ihrer Schwerbehinderung beigezogen. Weiter hat es den Internisten, Psychotherapeuten und Sozialmediziner Dr. C. mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 106 SGG beauftragt.

Dr. C. aufgrund einer Untersuchung am 3.12.2010 folgende Gesundheitsstörungen diagnostiziert:

-

Neurasthenie

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Carpaltunnel-Syndrom

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Bluthochdruck, medikamentös gut eingestellt

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gering ausgeprägte axiale Hiatushernie, chronische Magenschleimhautentzündung

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Funktionsbehinderung der Wirbelsäule unter Hüftgelenke bei Verschleißerscheinungen, ohne neurologische Reiz- oder Ausfallerscheinungen

Der Gutachter ist der Ansicht gewesen, dass die Klägerin mit Rücksicht auf die bestehenden Gesundheitsstörungen unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte bis mittelschweres Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen und in wechselnder Körperhaltung, im Freien und in geschlossenen Räumen, für täglich sechs bis unter acht Stunden, mit dem betriebsüblichen Unterbrechungen, verrichten könne. Dabei seien auch qualitative Einschränkungen zu beachten.

Eine mündliche Verhandlung am 9.8.2011 hat das Gericht nach Erörterung des Sachverhalts vertagt.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie könne keine Tätigkeit sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Zudem läge auch nach dem Gutachten von Dr. C. zumindest ab Antragstellung Berufsunfähigkeit nach dem am 31.12.2000 gültigen Recht vor.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 13.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1.9.2008 Altersrente für schwerbehinderte Menschen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass es bei der Prüfung der Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit im Rahmen des § 236a SGB VI nur auf medizinische Erwerbsunfähigkeit ankommt. Eine arbeitsmarktbedingte Erwerbsunfähigkeit wegen eines untervollschichtigen Leistungsvermögens und eines verschlossenen Arbeitsmarktes für Teilzeitarbeit führe nicht zu einem Anspruch auf Altersrente.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Rechtsstreits wird auf die Gerichtsakte, sowie die beigezogenen Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Landshut und des Zentrum Bayern Familie und Soziales verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Gegenstand der Klage ist der Bescheid vom 13.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2009, mit welchen der Antrag der Klägerin auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen abgelehnt wurde.

Di...

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