Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung von Beiträgen aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 210 Abs 1a SGB 6 bei Ruhestandsbeamten aufgrund Dienstunfähigkeit. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Ruhestandsbeamte aufgrund Dienstunfähigkeit erfüllen nicht die Voraussetzungen für eine Beitragserstattung nach § 210 Abs 1a SGB 6.
2. Dies verletzt auch nicht Verfassungsrecht.
Nachgehend
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob die Beklagte dem Kläger die Beiträge, die er zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt hat, erstatten muss.
Der am 1966 geborene Kläger war seit dem 01.09.1992 Beamter der Landeshauptstadt M-Stadt. Mit Bescheid vom 12.03.2008 wurde er ab dem 01.04.2008 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt.
Am 10.09.20019 stellte er bei der Beklagten den Antrag, die gezahlten Rentenversicherungsbeiträge zu erstatten. Sein Versicherungsverlauf weist Pflichtbeitragszeiten für den Zeitraum 01.09.1988 bis 31.08.1992 aus.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10.10.2019 ab. Die Voraussetzungen des § 210 Abs. 1 a) SGB VI seien nicht erfüllt. Der Kläger gehöre nicht zum versicherungsfreien Personenkreis des § 5 Abs. 4 SGB VI. Der Bezug einer Versorgung wegen Dienstunfähigkeit führe vor Erreichen der Altersgrenze nicht zur Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI.
Hiergegen hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16.10.2019, eingegangen am 17.10.2019, Widerspruch eingelegt. § 5 Abs. 4 SGBVI sei nicht einschlägig. Da der Kläger Beamter auf Lebenszeit sei, gehöre er nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI zum versicherungsfreien Personenkreis. Da auch die weiteren Voraussetzungen des § 210 Abs. 1 a) SGB VI erfüllt seien, bestehe damit der Erstattungsanspruch. Auch wenn § 5 Abs. 4 SGB VI zur Anwendung kommen sollte, zähle der Kläger zum versicherungsfreien Personenkreis, da er nach beamtenrechtlichen Vorschriften nach Erreichen der Altersgrenze eine Versorgung beziehen werde.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.03.2020 zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Beitragserstattung seien nicht erfüllt, da der Kläger nicht zum versicherungsfreien Personenkreis des § 5 Abs. 4 SGB VI gehöre. Durch die Versetzung in den Ruhestand sei er Beamter "außer Dienst", der sich nicht mehr im aktiven Beamtenverhältnis befinde. Daher gehöre er nicht mehr zum versicherungsfreien Personenkreis des § 5 Abs. 1 SGB VI, der voraussetze, dass eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ausgeübt werde und dem Grund nach Versicherungspflicht nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI bestehe. Damit komme § 5 Abs. 4 SGB VI zur Anwendung. Nach dieser Vorschrift bestehe Versicherungsfreiheit nur, wenn die Versorgung durch das Erreichen einer Altersgrenze ausgelöst werde. Der Bezug einer Versorgung wegen Dienstunfähigkeit vor Erreichen der individuellen Altersgrenze für eine Versorgung wie beim Kläger begründe keine Versicherungsfreiheit.
Hiergegen hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 09.04.2020, eingegangen als Fax am 15.04.2020, Klage am Sozialgericht München erhoben. Nach Mitteilung der Beklagte beläuft sich der streitige Betrag auf 3.827,22 €.
Der Kläger behauptet,
die Beklagte übersehe, dass er nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI versicherungsfrei sei, da er Beamter auf Lebenszeit sei. Auch wenn § 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI einschlägig sei, bestehe der geltend gemachte Anspruch. Dem stehe nicht entgegen, dass er durch die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit derzeit "außer Dienst" sei. Weder § 5 Abs. 1 SGB VI noch § 5 Abs. 4 SGB VI setzten eine aktive Teilnahme am Dienst mit Bezügen voraus. Er erhalte auch weiter Beamtenbezüge. Bei diesen handele es sich um eine Gegenleistung für das eingegangene öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis. Er bleibe weiterhin Beamter. Daher seien Beamten auch vor Erreichen des Pensionsalters Beamten gleichzustellen, die das gesetzliche Pensionsalter erreicht hätten. Sachlich einleuchtende Gründe für eine Ungleichbehandlung seien nicht ersichtlich.
Die verfassungsrechtlichen Vorgaben seien zu beachten. Das Bundessozialgericht habe zu der vorliegenden Problematik in verfassungsrechtlicher Hinsicht noch keine Stellung bezogen. Entweder seien § 210 Abs. 1 a) SGB VI, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI verfassungsgemäß dahin auszulegen, dass Versicherungsfreiheit "in dieser Beschäftigung" nicht nur Beamte im aktiven Dienstverhältnis, sondern auch vorzeitig in den Ruhestand versetzte Beamte erfasse, oder sie seien wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 33 Abs. 5 GG verfassungswidrig.
Die Auslegung der Beklagten verletze Art. 3 GG. Zwar sei es Sache des Gesetzgebers die Sachverhalte auszuwählen, die er als rechtlich gleich qualifiziere. Die Auswahl müsse aber sachgerecht erfolgen. Dem Gesetzgeber komme im Bereich ...