Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 43 Abs 6 SGB 6. Tätigkeit unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Erwerbstätigkeit auf einem angepassten Arbeitsplatz
Orientierungssatz
Aus einer tatsächlichen Erwerbstätigkeit auf einem angepassten Arbeitsplatz (zB im Rahmen eines Behindertenprogramms) kann nicht abgeleitet werden, dass der Versicherte wettbewerbsfähig und unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes hatte tätig werden können (vgl LSG Stuttgart vom 23.8.2011 - L 13 R 5780/09).
Nachgehend
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente durch die Beklagte.
Bei der 1985 geborenen Klägerin besteht seit Geburt eine spastische Cerebralparese mit kognitiver Minderleistung. Mit Bescheid des Zentrum Bayern Familie und Soziales vom 17.03.1992 wurde bei der Klägerin ein Grad der Behinderung von 100 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen B, G, aG, H und RF festgestellt. Die Klägerin besaß seit 1995 die Pflegestufe II, seit Juli 2018 wurde ihr der Pflegegrad 4 zuerkannt.
Die Klägerin hat von 1993 bis 1997 die B-Schule für Körperbehinderte in M besucht, bis August 2002 die Hauptschule der Stiftung P und im Anschluss bis August 2004 wurde die Klägerin erneut in der B-Schule für Körperbehinderte in M gefördert und hat dort einen Hauptschulabschluss erreicht. Von September 2005 bis Januar 2009 hat die Klägerin eine Ausbildung zur Bürokauffrau im Berufsbildungswerk (BBW) Integrationszentrum für Cerebralparesen (ICP) in M erfolgreich absolviert. Das BBW Stiftung ICP M ist eine Spezialeinrichtung für Menschen mit infantiler Cerebralparese (ICP), orthopädischen und neurologischen Erkrankungen. Im Anschluss an die Ausbildung stand die Klägerin im n Leistungsbezug nach dem SGB II bis Januar 2017. Grundlage hierfür war ein Gutachten der Bundesagentur für Arbeit vom 31.03.2009, wonach die Klägerin ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt innehabe. Ein weiteres sozialmedizinisches Gutachten der Bundesagentur für Arbeit vom 09.12.2016 geht in der Folge jedoch von einem dauerhaften unter dreistündigen Leistungsvermögen der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus und empfiehlt eine Eingliederung in eine WfbM. Die Klägerin erhielt zwischenzeitlich Leistungen nach dem SGB XII - Hilfe zum Lebensunterhalt bis einschließlich November 2017. Die Klägerin selbst lehnte Leistungen nach dem SGB XII für den Zeitraum ab Dezember 2017 ab, da die Eltern der Klägerin für ihren Lebensunterhalt aufkämen.
Am 07.12.2017 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsminderung, welche die Beklagte mit Bescheid vom 06.03.2018 ablehnte. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Klägerin bereits seit Geburt dauerhaft voll erwerbsgemindert sei und daher die Mindestversicherungszeit nicht erfüllt sei. Die Anzahl von 240 Wartezeitmonaten gemäß § 43 Abs. 6 SGB VI sei nicht erfüllt, es seien lediglich 64 auf die Wartezeit anrechenbare Kalendermonate vorhanden.
Hiergegen ließ die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 05.04.2018 Widerspruch einlegen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Klägerin nicht seit ihrer Geburt erwerbsgemindert sei. Sie leide seit ihrer Geburt überwiegend an einer körperlichen Behinderung. Sie habe eine dreijährige Ausbildung zur Bürofachkraft erfolgreich absolviert und auch verschiedene Praktika absolviert. Dies habe dazu geführt, dass sie sich auch in der Vergangenheit auf Stellenangebote des ersten Arbeitsmarktes beworben habe. Die volle Erwerbsunfähigkeit habe sich erst mit der Rentenantragstellung manifestiert. Insofern sei die allgemeine Wartezeit von 60 Monaten anzuwenden, so dass ein Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bestünde. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.09.2018 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die am 28.09.2018 eingereichte Klage vor dem Sozialgericht München. Die Klägerin leide zwar an einer spastischen Zerebralparese mit Mobilitätseinschränkung, Feinmotorikstörung, Dysarthrie und Strabismus, sie sei jedoch ausschließlich körperlich behindert. Sie habe erfolgreich eine Ausbildung zur Bürokraft absolviert. Ein Gutachten der Bundesagentur für Arbeit vom 31.03.2009 bestätige ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Sie habe außerdem bis 2016 Arbeitslosengeld II bezogen, was ebenfalls eine Erwerbsminderung ausschließe.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 06.03.2018 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 05.09.2018 verurteilt, der Klägerin antragsgemäß Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist zur Klageerwiderung auf die Gründe des angefochtenen Widerspruchsbescheids. Es wurde a...