Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Praxisbudgets im Einheitlichen Bewertungsmaßstab ab 1.7.1997
Orientierungssatz
1. Die mit Wirkung zum 1.7.1997 im Einheitlichen Bewertungsmaßstab eingeführten Praxisbudgets sind dem Grunde nach zulässig.
2. Bei der Festlegung der arztgruppenspezifischen Fallpunktzahl kann zur angemessenen Berücksichtigung von Praxiskosten auf statistische Durchschnittswerte der Arztgruppe zurückgegriffen werden.
3. Werden durchschnittliche Kostensätze selbst ausdrücklich in den EBM aufgenommen, unterliegen diese der vollen gerichtlichen Richtigkeitsüberprüfung.
4. Eine sachgerechte prozentuale Zuordnung der tatsächlich entstehenden Praxiskosten auf den vertragsärztlichen und den privatärztlichen Bereich hat zutreffenderweise durch eine kombinierte Betrachtung auf Grundlage des "Tragfähigkeitsprinzips" und des "Eintrittskartenprinzips" zu erfolgen.
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Rechtmäßigkeit der Anwendung von sogenannten Praxisbudgets (dem Grunde und der Höhe nach) im Rahmen der Honorarfestsetzungen des 1. bis 3. Quartals 1998.
Der Kläger ist als Hautarzt in München vertragsärztlich tätig. Das Honorar für das 1. Quartal 1998 wurde durch Bescheid der KV Bezirksstelle M Stadt und Land vom 22.07.1998 für Regional- und Ersatzkassen sowie besondere Kostenträger der Höhe nach konkret festgesetzt. Dabei kamen die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab seit dem 3. Quartal 1997 vorgesehenen sogenannten Praxisbudgets zur Anwendung. Der Honorarbescheid errechnet zunächst ein Praxisbudget in Punkten, stellt dann die anerkannte Honoraranforderung in Punkten gegenüber und nennt eine Überschreitungspunktzahl von 22.324 Punkten bzw. eine Quote des anerkannten Gesamtpunktzahlvolumens von 96,3686%. Nur diese Quote wird im Rahmen der Honorarverteilung berücksichtigt. Zusätzlich werden weitere Leistungen wegen Überschreitung von qualifikationsgebundenen und bedarfsabhängigen Zusatzbudgets abgesetzt.
Im wesentlichen gleiche Entscheidungen wurden für das 2. Quartal 1998 mit Honorarbescheid vom 29.10.1998 (Quote anerkanntes Gesamtpunktzahlvolumen 96,3935%) sowie für das Quartal 3/98 mit Honorarbescheid vom 02.02.1999 (Quote anerkanntes Gesamtpunktzahlvolumen 97,9570%) getroffen.
Die (auch) gegen die Absetzungen wegen Überschreitung der Praxisbudgets eingelegten Widersprüche wurden mit Bescheiden vom 20.05.1999 zurückgewiesen. Ausgeführt wurde, daß der EBM bundesweit einheitlich vorgegeben und damit verbindlich für die KVB sei. Die Regelung zur Praxisbudgetierung im EBM im allgemeinen sowie auch der in Anlage 3 festgesetzte durchschnittliche Anteil der Praxiskosten am Umsatz einer Arztgruppe im besonderen erlaube eine einseitige Änderung des EBM durch einen Vertragspartner nicht. Die Überprüfung des EBM und eventuelle Anpassungen seien dem dafür zuständigen Bewertungsausschuß vorbehalten. Die verbindlichen Regelungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes seien durch den HVM in der am 14.06.1997 beschlossenen Fassung auch zutreffend umgesetzt. Formelle und materielle Mängel auf HVM-Ebene seien nicht erkennbar.
Dagegen richten sich die am 14.06.1999 eingegangenen Klagen. Der Bevollmächtigte des Klägers trägt vor, dieses Verfahren als Musterverfahren des Berufsverbandes der Dermatologen anzusehen. Zunächst wird auf die im Verfahren S 42 KA 873/98 vorgetragenen Argumente Bezug genommen (Verfahren eines anderen Dermatologen bezüglich des 3. Quartales 1997; die Klage wurde durch Urteil der Kammer vom 10.08.1999 abgewiesen). Dort war zur Begründung ausgeführt worden, daß der EBM in der hier angewandten Fassung unwirksam sei. Es handele sich um eine untergesetzliche Rechtsvorschrift. Jene setze verfahrensrechtlich und inhaltlich eine gesetzliche Ermächtigung voraus. Der Bewertungsausschuß nach § 87 SGB V habe bereits am 19.11.1996 die Einführung von fallzahlabhängigen, arztgruppenbezogenen Praxisbudgets beschlossen. Der Beschluß sei aufgrund des Beschlusses vom 14.02.1997 umgesetzt und auf den 01.07.1997 festgesetzt worden. Der Gesetzgeber habe erst durch die Änderung des § 87 Abs. 1 a SGB V durch das 2. GKVNOG vom 23.06.1997 zum 01.07.1997 eine Rechtsgrundlage geschaffen, die die Einführung von Praxisbudgets erlaube. Die maßgeblichen Beschlüsse seien aber vor der gesetzlichen Ermächtigung geschaffen worden. Diese stellten den Akt der Gesetzgebung dar. Für die Rechtswirksamkeit komme es auf den Zeitpunkt der Gesetzeslage der Beschlußfassung an, nicht auf den Zeitpunkt des späteren Inkrafttretens.
Auch aus materiellen Gründen erscheine das Vergütungsmodell als rechtswidrig. Letztlich werde für jede der unterschiedlichen Arztgruppen ein ärztliches Einkommen als Sollgröße, rechnerisch ein Betrag von DM 135.000,-- vorgegeben. Um ein solches durchschnittliches Einkommen zu erzielen, werde den Durchschnittskosten der Ärzte eine Arztgruppe das tatsächliche Durchschnittseinkommen gegenübergestellt, welches über die Koste...