Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. Gesundheitsschaden. sachlicher Zusammenhang. Zerstörung eines Hilfsmittels. "infolge einer versicherten Tätigkeit". Anspruch auf Erneuerung einer zerstörten Lesebrille. funktionsgemäße Verwendung des Hilfsmittels. Mitführen der Brille in der Handtasche
Orientierungssatz
Wenn eine Brille für eine versicherte Tätigkeit nicht erforderlich ist und deshalb nicht bestimmungsgemäß am Körper getragen wird, sondern eher “zufällig„ mitgeführt wird, ist es nicht angezeigt, sie in den Schutzbereich der Gesetzlichen Unfallversicherung einzubeziehen. Notwendig ist bei Brillen deshalb, dass sie im Zeitpunkt des Unfalls bestimmungsgemäß am Körper getragen werden.
Tenor
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 08.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2015 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Gegenstand der Klage ist die Frage, ob die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Ersatzbeschaffung einer Lesebrille gegenüber der Beklagten hat.
Die Klägerin ist Beschäftigte in einem Mitgliedsunternehmen der Beklagten. Sie stürzte am 3. August 2015 auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstelle und verletzte sich unter anderem die linke Schulter und das linke Knie. Bei dem Sturz fiel die Klägerin auf ihre Handtasche, wodurch die darin in einem Etui befindliche Lesebrille (nebst Etui) zu Bruch ging. Am 2. September 2015 reichte die Klägerin bei der Beklagten eine Rechnung ihres Optikers vom 22. August 2015 ein und bat um Erstattung der dort aufgeführten Gesamtkosten von 500 €, wovon 16 € auf ein Brillenetui entfielen.
Mit Bescheid vom 8. September 2015 lehnte die Beklagte eine Kostenerstattung ab. Ihre Leistungspflicht sei nicht gegeben, da die zerstörte Brille nicht getragen oder körpernah (z.B. umgehängt oder in der Brusttasche) mitgeführt worden sei. Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch teilte die Klägerin mit, dass sie die Lesebrille nur zum Lesen benötige und sie deshalb auf dem Weg zur Arbeit nicht umhängen oder aufsetzen könne, sondern jeden Tag in der Handtasche mitführe. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. November 2015 zurück. Voraussetzung für eine Wiederherstellung oder Erneuerung eines beschädigten Hilfsmittels sei, dass das Hilfsmittel bei Eintritt des Unfallereignisses bestimmungsgemäß am Körper eingesetzt wurde. Nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung sei ein bloßes Mit-sich-Führen des Hilfsmittels in der Handtasche nicht ausreichend.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage wies die Klägerin ergänzend darauf hin, dass sie die Lesebrille unmittelbar am Körper, nämlich in ihrer direkt am Oberkörper getragenen Handtasche, getragen habe. Es sei ausreichend, wenn sich ein Hilfsmittel griffbereit in der Tasche befinde.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 08.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Kosten der Ersatzbeschaffung der beim Unfall vom 03.08.2015 beschädigten Brille in Höhe von 500,00 € zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zu weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet, da die Klägerin keinen Anspruch auf Erneuerung der zerstörten Lesebrille hat. Sie hat demnach auch keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Ersatzbeschaffung, da der sekundäre Zahlungsanspruch nicht weiter als ein Sachleistungsanspruch gehen kann.
Zwar hat die Klägerin einen versicherten Arbeitsunfall gemäß §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 und 2 Nr. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) erlitten. Dabei wurde ihre Lesebrille zerstört und damit ein Hilfsmittel nach § 31 Abs. 1 SGB VII bzw. § 33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (vgl. Lauterbach/Schwerdtfeger, § 8 SGB VII, Rz. 603, 604), weshalb grundsätzlich deren Erneuerung nach § 27 Abs. 2 SGB VII in Betracht käme. Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 SGB VII sind vorliegend jedoch nicht gegeben, da die Brille nicht infolge einer versicherten Tätigkeit nach § 8 Abs. 1 oder 2 SGB VII zerstört wurde. Diese Voraussetzung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 SGB VII nicht unmittelbar, sondern aus der Verweisung auf § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (Gesundheitsschaden).
Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich keine konkrete Aussage, wie weit das Merkmal “infolge einer versicherten Tätigkeit„ auszulegen ist. Zwar ist nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 13/2204, S. 77) nur erforderlich, dass ein Hilfsmittel “bei der versicherten Tätigkeit beschädigt wurde, … nicht notwendigerweise während der Benutzung„. Gleichzeitig ist der Gesetzesbegründung jedoch zu entnehmen, dass die Gleichstellung von Beschädigung oder Verlust eines Hilfsmittels mit einer gesundheitlichen Schädigung weitgehend dem bis zum Inkrafttreten des SGB VII geltenden Recht entsprechen soll. Dies würde nach ...