Entscheidungsstichwort (Thema)
Gründungszuschuss. Ermessensausübung. Ablehnung wegen Vorrangs der Vermittlung in abhängige Beschäftigung. Ermessensfehlgebrauch
Orientierungssatz
1. Bei der Entscheidung über den Anspruch auf einen Gründungszuschuss kann und muss die BA bestehende Vermittlungsmöglichkeiten in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis innerhalb ihrer Ermessenserwägungen berücksichtigen.
2. Die Ermessensausübung ist dann ermessensfehlerhaft, wenn die BA dem Arbeitslosen trotz tragfähigem Geschäftsmodell einer Selbstständigkeit im Weinhandel nach derart kurzer Zeit der Arbeitslosigkeit zumuten will ohne Ausschöpfung seiner Möglichkeiten als Weinakademiker und seiner Erfahrung im Vertrieb und Verkauf von Weinen und ohne Ausschöpfung seiner Verdienstmöglichkeiten zurück in die vor 10 Jahren ausgeübte Beschäftigung in der Tourismusbranche zu wechseln.
Tenor
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 6.8.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.10.2012 verurteilt, über den Antrag vom 4.4.2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Der Kläger wehrt sich gegen die Ablehnung der Bewilligung eines Gründungszuschusses für eine am 23.7.2012 aufgenommene selbstständige Tätigkeit als Weinhändler.
Der 1975 geborene Kläger ist verheiratet, hat zwei kleine Kinder und lebt mit seiner Familie in der Nähe von C-Stadt. Nach einem Abschluss als geprüfter Tourismusfachwirt im Jahr 1994 arbeitete er zunächst in verschiedenen Hotels im Restaurant bzw. an der Bar als Commis de Bar, Chef de Rang, Stellvertreter von Maitre d___AMPX_’_SEMIKOLONX___XHotel und zuletzt auch als Sommelier. Von April 2001 bis Ende November 2002 war er als Event-Manager bzw. -Koordinator bei D & D beschäftigt. Vom 1.12.2002 bis zum 31.3.2012 war er im Weinhandel und Vertrieb bei C.- Weine beschäftigt, zuletzt zu einem monatlichen Gehalt von 4.000,- Euro. Berufsbegleitend absolvierte er in Österreich eine Ausbildung zum Weinakademiker.
Mit Wirkung zum 1.4.2012 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos, ihm wurde Arbeitslosengeld in Höhe von 1.970,10 Euro monatlich bewilligt. Bereits im Erstgespräch am 4.4.2012 gab er an, sich im Weinversandhandel selbstständig machen zu wollen. Im Vermerk zu diesem Gespräch notierte die Mitarbeiterin der Beklagten, der Kläger könne bei Stellensuche vermittelt werden, eine solche erfolge aber nicht da der Kläger sich selbstständig machen wolle; ein “Profiling„ werde daher nicht durchgeführt, ein Zielberuf nicht angegeben.
Mit Datum 4.4.2012 beantragte der Kläger für eine selbstständige Tätigkeit ab dem 23.7.2012 als “Weinversandhandel mit Spezialisierung auf Spitzenweine„ die Bewilligung eines Gründungszuschusses. Er sei quasi zur Selbstständigkeit gezwungen, weil es im Raum C-Stadt/D-Stadt/E-Stadt keinen Arbeitsplatz gebe, wo er seine Fähigkeiten in vollem Umfang ausschöpfen könne. Er wolle einen Online-Shop für Spitzenweine betreiben. Es gebe zwar Online-Shops für Weine, allerdings nur sehr wenige im Bereich der Spitzenweine. Seine Eltern hätten einen Gastronomiebetrieb betrieben und er selbst habe sich bereits während seiner Tätigkeit in der Gastronomie Weinwissen angeeignet. Hierdurch sei ihm schließlich der Ausstieg aus der Gastronomie möglich geworden und er habe als Weinevent-Koordinator zu D & D wechseln können und dort mehr als 150 Weinveranstaltungen organisiert, umgesetzt und moderiert. Hierdurch sei ihm dann der Weg in den Vertrieb von Unger Weine geglückt, wo er unter anderem im Einkauf, Verkauf und in der Kundenbetreuung langjährige Erfahrungen gesammelt habe. In der Region gäbe es außer Unger Weine keinen vergleichbaren Weinhändler, weshalb ihm ein Wechsel nicht möglich sei. Durch die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit könne er weiter in seinem Beruf arbeiten und die Selbstständigkeit lasse sich auch mit seiner Familie gut vereinbaren. Die Kinder seien nun ein und drei Jahre alt und seine Ehefrau wolle als Vorwerk-Thermomix-Repräsentantin wieder ins Arbeitsleben einsteigen. Der Kläger legte unter anderem einen ausführlichen Businessplan, eine positive Tragfähigkeitsbescheinigung und einen Mietvertrag für einen Büroraum ab dem 1.6.2012 vor.
Mit Bescheid vom 6.8.2012 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Die Eingliederung des Klägers in den Arbeitsmarkt wäre in absehbarere Zeit ohne Leistungen der aktiven Arbeitsförderung möglich gewesen und Leistungen der aktiven Arbeitsförderung dürften nur gewährt werden, wenn sie notwendig seien um den Versicherten dauerhaft in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch trug der Kläger nach Akteneinsicht vor, in der Verwaltungsakte befänden sich überhaupt keine Stellenangebote, die für die Behauptung der Vermittelbarkeit sprechen. Die Beklagte nahm daraufhin sechs Stellenangebote für Weinfachberater in die Verwaltungsakte auf. Die Beschäftigungsorte wären in F-Stadt, G-Stadt, Baden-Würt...