Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Streit um Ruhen und Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ). Zulassungsausschuss. Anforderung einer schriftlichen Vollmacht der Rechtsanwälte des MVZ bei fristgemäßem Widerspruch. Zurückweisung als unzulässig bei Nichtvorlage. Grundsätze des fairen Verfahrens und des rechtlichen Gehörs erfordern Fristsetzung und Hinweis auf die drohende Verwerfung

 

Orientierungssatz

1. Die Grundsätze des fairen Verfahrens und des rechtlichen Gehörs erfordern dann, wenn sich eine Behörde trotz der Möglichkeit, bei Rechtsanwälten in Anlehnung an § 73 Abs 6 S 5 SGG von der Anforderung einer Vollmacht bei fristgemäßem Widerspruch abzusehen, entschließt, eine schriftliche Vollmacht zu verlangen, dass der Widerspruch nur dann als unzulässig zurückgewiesen werden kann, wenn die Behörde eine Frist gesetzt und auf die drohende Verwerfung als unzulässig hingewiesen hat (vgl LSG München vom 3.6.2016 - L 7 AS 233/16 B ER).

2. Die Anordnung des Ruhens einer Zulassung setzt schon nach dem Wortlaut des § 95 Abs 5 S 1 SGB 5 voraus, dass die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit "in angemessener Frist zu erwarten" ist. Bei Beantwortung der Frage, ob dies der Fall ist, hat ein Zulassungsausschuss keinen Beurteilungsspielraum.

3. Az beim LSG München: L 12 KA 7/17

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 12.12.2018; Aktenzeichen B 6 KA 7/18 B)

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine Zulassungsentziehung.

Das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) A. GmbH in Trägerschaft der Klägerin wurde mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 27.09.2007 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Beschluss vom 20.07.2015 gab der Zulassungsausschuss dem Antrag des Vertreters der Klägerin auf die Anordnung des Ruhens der Zulassung des MVZ vom 21.07.2015 bis 31.12.2015 statt. Als Grund wurde angegeben, dass keine verbleibenden Ärzte im MVZ mehr tätig seien, der ärztliche Leiter Herr C. und der Nuklearmediziner Dr. D. seien zum 30.06.2015 aus dem MVZ ausgeschieden.

Mit Beschluss vom 23.11.2015 entzog der Zulassungsausschuss die Zulassung des MVZ A. GmbH in Trägerschaft der Klägerin gemäß §95 Abs. 6 S. 3 SGB V iVm §27 Ärzte-ZV zum 31.12.2015. Der Antrag auf weiteres Ruhen vom 01.01.2016 bis 30.06.2016 wurde abgelehnt. In der gleichen Sitzung hatte der Zulassungsausschuss die letzte Angestelltenstelle des MVZ zum 01.01.2016 in eine Zulassung umgewandelt. Zur Begründung der Zulassungsentziehung wurde ausgeführt, dass sich keine Arztstellen im MVZ mehr befänden und somit die Zulassungsvoraussetzungen zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nicht mehr vorlägen. Die Zulassung sei gemäß §95 Abs. 6 S. 3 SGB V iVm §27 Ärzte-ZV von Amts wegen zu entziehen. Das MVZ verfüge seit 01.07.2015 über keine dort tätigen Leistungserbringer mehr und nehme demzufolge seither nicht mehr an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Der Zulassungsausschuss habe bei seiner Entscheidung das sog. Ultima-Ratio-Prinzip beachtet, da dem Vertretungsberechtigten des MVZ ausreichend Zeit und Gelegenheit eingeräumt worden sei, die Zulassungsvoraussetzungen wieder herzustellen. Da die Voraussetzungen für die Entziehung der Zulassung vorlägen - nicht zuletzt auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - bestehe kein Raum mehr für eine Anordnung des beantragen weiteren Ruhens der Zulassung. Vorliegend habe sich der Zulassungsausschuss nicht davon überzeugen können, dass mit einer Wiederaufnahme der vertragsärztlichen Versorgung des MVZ zu rechnen sei, da mit Beschluss vom 01.03.2013 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet und mittlerweile sämtliche Arztstellen aus dem MVZ herausgelöst worden seien. Zudem befinde sich die Klägerin in Liquidation. Das anhängige Gerichtsverfahren betreffend die Arztstelle eines Nuklearmediziners rechtfertige ein weiteres Ruhen der Zulassung nicht. Vor diesem Hintergrund sei der Zulassungsausschuss zu der Überzeugung gelangt, dass künftig mit einer Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nicht zu rechnen sei.

Die Klägerbevollmächtigen legten mit Schreiben vom 10.12.2015 Widerspruch gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses ein. Mit Schreiben vom 11.12.2015 bat der Beklagte die Klägerbevollmächtigten um Übersendung (auch per Fax) einer Vollmacht der Klägerin. Mit Schreiben vom 21.12.2015 wiederum übersandten die Klägerbevollmächtigten eine Vollmacht, unterzeichnet durch den Insolvenzverwalter über das Vermögen der Klägerin und handelnd für die Geschäftsführung der Klägerin. Mit weiterem Schreiben vom 22.12.2015 wandte sich der Vorsitzende des Beklagten an die Klägerbevollmächtigten und teilte mit, die gemäß der Aufforderung des Beklagten mit Fax nun nur in Ablichtung offengelegte Innenvollmacht entspreche aus mehreren Gründen nicht den an sie zu richtenden Anforderungen aufgrund von §§164ff. BGB, deren Anwendung in §13...

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