Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. nichtselbständige Tätigkeit. Einkommensnachweis bei fehlenden Lohn- und Gehaltsbescheinigungen. Zulässigkeit anderer Beweismittel. Steuerklassenwechsel. Maßgeblichkeit der vorhandenen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen
Leitsatz (amtlich)
Nach § 2c Abs 2 und 3 BEEG sind die Lohn- und Gehaltsbescheinigungen die Grundlage der Einkommensermittlung. Die Behörde kann gemäß § 60 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB I vom Antragsteller regelmäßig die Vorlage dieser Bescheinigungen verlangen.
Wenn Zweifel an der Richtigkeit der Bescheinigungen bestehen oder diese ausnahmsweise nicht vorgelegt werden können, ist das Einkommen von Amts wegen zu ermitteln. Dann kommen auch andere Beweismittel in Frage, für die aber die Richtigkeitsvermutung nach § 2c Abs 2 S 2 BEEG nicht gilt.
Zur Bestimmung der Abzugsmerkmale nach § 2c Abs 3 BEEG, wenn für mehrere Monate keine Lohn- und Gehaltsbescheinigungen vorliegen.
Tenor
I. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 16. Februar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2015 verurteilt, der Klägerin dem Grunde nach höheres Elterngeld unter Berücksichtigung eines weiteren Bruttolohns von 8.000,- Euro der C-Firma zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Beklagte hat zwei Fünftel der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt höheres Elterngeld für ihre 2014 geborene Tochter. Strittig ist, welches Einkommen im Bemessungszeitraum anzusetzen ist, wenn der Arbeitgeber den Lohn nicht oder nur teilweise bezahlte.
Die Klägerin ist Mutter der am XX.XX .2014 geborenen D.. Die Klägerin war bis einschließlich Januar 2014 bei der E-Firma Zeitarbeit beschäftigt mit einem Bruttogehalt von monatlich 2895,88 Euro.
Zum 01.02.2014 wechselte die Klägerin zur Firma C-Firma GmbH & Co. KG. Laut Arbeitsvertrag war ein Bruttogehalt von 4000,- Euro pro Monat zzgl. 300,- Euro fixer Prämie vorgesehen. Am 14.02.2014 kündigte die Firma das Arbeitsverhältnis wegen Schwangerschaft der Klägerin. Im Rahmen einer arbeitsgerichtlichen Klage schloss die Klägerin und diese Firma im April 2014 einen Vergleich, wonach die Kündigung unwirksam sei und die Firma an die Klägerin für Februar und März 2014 jeweils 4.000,- Euro Bruttogehalt bezahle. Die Firma zahlte diesen Betrag aber nicht freiwillig, erstellte auch keine Lohnabrechnungen und ging in Insolvenz. Am 18.08.2014 erhielt die Klägerin im Wege der Zwangsvollstreckung 8.274,40 Euro vom Insolvenzverwalter, davon 8.000,- Euro an Lohn und der Rest für Kosten der Zwangsvollstreckung.
Die Klägerin beendete das Arbeitsverhältnis mit der C-Firma zum 30.06.2014. Ab 01.07.2014 war die Klägerin bei der F-Firma zu einem Bruttogehalt von 4.000,- Euro (Steuerbrutto 4.082,56 Euro) zuzüglich 18,- Euro versteuerten Kfz Nutzung beschäftigt. Von 17.09.2014 bis 04.01.2015 erhielt die Klägerin Mutterschaftsgeld von kalendertäglich 13,- Euro und Zuschuss zum Mutterschaftsgeld vom neuen Arbeitgeber von kalendertäglich 74,71 Euro.
Am 13.01.2015 beantragte die Klägerin Elterngeld für den ersten bis zwölften Lebensmonat der Tochter. Mit Bescheid vom 16.02.2015 wurde der Klägerin Elterngeld für den dritten bis zwölften Lebensmonat in Höhe von jeweils 809,23 Euro bewilligt, für den ersten Lebensmonat kein Elterngeld und für den zweiten Lebensmonat 104,40 Euro wegen Anrechnung von Mutterschaftsgeld und Zuschuss zu Mutterschaftsgeld. Wegen der Mutterschutzfristen ab 17.09.2014 wurde der Bemessungszeitraum auf die Zeit von September 2013 bis einschließlich August 2014 festgelegt. Für die Monate September 2013 bis einschließlich Januar 2014 wurden Einnahmen von monatlich 2.895,88 Euro angesetzt. Für Februar bis einschließlich Juni 2014 wurde kein Einkommen angesetzt. Für Juli und August 2014 wurden jeweils 4082,56 Euro zzgl. 18,- Euro als Bruttoeinkommen angesetzt.
Die Klägerin erhob dagegen Widerspruch. Auch für Februar bis Juni 2014 sei Einkommen anzusetzen. Die Klägerin habe Anspruch auf Lohn für diese Zeit gehabt und am 18.08.2014 auch 8.274,40 Euro erhalten. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2015 zurückgewiesen. Die Klägerin habe keine Verdienstabrechnungen vorgelegt und keine Belege für die 8.274,40 Euro. Allein eine Titulierung genüge nicht für eine Anrechnung als Einkommen. Der Widerspruchsbescheid wurde laut Aufgabevermerk am 09.07.2015 zur Post gegeben.
Am 12.08.2015 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht München. Für die Monate Februar bis Juni 2014 sei jeweils ein Monatsgehalt von brutto 4.000,- Euro anzusetzen, zumindest für die Monate Februar und März 2013. Di C-Firma erteile keine Lohnabrechnung, dies könne aber nicht zulasten der Klägerin gehen. Zugleich wurde eine Bestätigung für den Zufluss der 8.274,40 Euro vorgelegt. Auf die 8.000,- Euro Lohn seien auch Sozialversicherungsbeiträge und Einkommensteuer gezahlt worden. Letzteres bestätigt Schriftverkehr des Steuerberaters der Klägerin mit dem Finanzamt.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Abänder...