Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Widerruf einer Genehmigung zur Anstellung einer Dauerassistentin. Eingriff in die Berufsausübung nach Art 12 GG. Zulässigkeit aus vernünftigen Gründen des Gemeinwohls
Leitsatz (amtlich)
1. Rechtsgrundlage für den Widerruf einer Genehmigung zur Anstellung einer Dauerassistentin ist § 95 Abs 6 SGB V in Verbindung mit § 27 Zulassungsverordnung-Ärzte (Ärzte-ZV) in entsprechender Anwendung. Die allgemeinen Regeln im SGB X finden auf den Widerruf der Anstellungsgenehmigung keine Anwendung (anders SG Marburg vom 17.1.2014 - S 12 KA 2/13).
2. Die Genehmigung ist unter anderem zu widerrufen, wenn der angestellte Arzt seine Tätigkeit nicht mehr ausübt oder aus rechtlichen Gründen (zB Änderung des EBM) Leistungen nicht mehr abrechnen kann. Denn der Angestelltensitz muss "gelebt" und betrieben werden.
3. Bei dem Widerruf der Genehmigung zur Anstellung einer Dauerassistentin handelt es sich um einen Eingriff in die Berufsausübung nach Art 12 GG, der aber aus vernünftigen Gründen des Gemeinwohls zulässig. Dazu zählt auch und insbesondere die Qualitätssicherung im Sinne des Gesundheitsschutzes, dem der Gesetzgeber und der Bewertungsausschuss großes Gewicht beimessen durften (vgl BSG vom 9.4.2008 - B 6 KA 40/07 R = BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16). Indirekt gehört zu den vernünftigen Gründen des Gemeinwohls auch eine Bedarfsplanung, die die Basis für eine qualitativ hochwertige Versorgung erst ermöglicht.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Mit der zum Sozialgericht München eingelegten Klage wendet sich der Kläger, der als Vertragsarzt (Fachrichtung Nervenheilkunde und Psychiatrie) zugelassen ist, gegen den Beschluss des Beklagten aus der Sitzung vom 04.10.2016. Mit diesem Beschluss wurde der Beschluss des Zulassungsausschusses vom 13.04.2016 aufgehoben und die dem Kläger erteilte Genehmigung zur Anstellung von Frau C. (Ehefrau des Klägers) als ganztags beschäftigte Ärztin (Bedarfsplanungsfaktor 1,0) gemäß § 95 Abs. 6 SGB V in Verbindung mit §§ 21, 27 Abs. 1, Abs. 3 Zulassungsverordnung für Ärzte (Ärzte-ZV) widerrufen.
Zur Begründung wurde vorgetragen, fachärztliche Leistungen dürften von Dauerassistenten ohne Gebietsbezeichnung nicht mehr erbracht werden. Es handle sich um eine rechtliche Unmöglichkeit, an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen. Dies stelle zwar einen Eingriff in die Berufsausübung nach Art. 12 Grundgesetz - allerdings auf der untersten Stufe - dar, der aber aus vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls, konkret im Hinblick auf die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Versorgung der Versicherten zulässig sei. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei gewahrt. Für die angestellte Dauerassistentin bestünden alternative Möglichkeiten zur Ausübung ihres Berufs.
Vorausgegangen war eine Anstellungsgenehmigung vom 16.11.1993. Zum 01.04.2005 wurde der EBM geändert, auch mit der Konsequenz, dass fachärztliche Leistungen nicht mehr von Dauerassistenten ohne Gebietsbezeichnung erbracht werden durften. Der Antrag der Beigeladenen zu 1, die Genehmigung zur Anstellung zu widerrufen, wurde mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 13.04.2016 abgelehnt. Zur Begründung führte der Zulassungsausschuss aus, von einer "Nichtabrechnung" könne nicht auf eine "Nichttätigkeit" geschlossen werden. Die angestellte Dauerassistentin erbringe delegationsfähige Leistungen, die über ihren Ehemann abgerechnet würden. Dagegen wandte sich die Beigeladene zu 1 mit ihrem Widerspruch.
Gegen den Widerspruchsbescheid des Beklagten ließ der Kläger Klage zum Sozialgericht München einlegen. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers vertrat die Auffassung, es sei eine Differenzierung zwischen der nicht mehr vorhandenen Abrechnungsmöglichkeit von den fachärztlichen Leistungen und dem Status als Dauerassistent geboten. Es gehe um den Bestand der Genehmigung zur Anstellung als Dauerassistentin nach altem Recht. Frau C. erbringe gerade keine fachärztlichen Leistungen. In dem Zusammenhang sei auf ein Urteil des Sozialgerichts München vom 16.12.2014 (Az. S 38 KA 36/14) hinzuweisen. Dort sei klargestellt worden, dass die Existenz einer erteilten Genehmigung nicht in Zweifel gezogen werden könne. Im Einzelfall sei eine Interessenabwägung vorzunehmen. Zu berücksichtigen sei auch, dass Frau C. immerhin 25 Jahre tätig sei, weshalb von einem Bestandschutz auszugehen sei.
In der Klageerwiderung führte der Beklagte aus, die Klägerseite könne sich auf das von ihr zitierte Urteil des Sozialgerichts München vom 16.12.2014 (Az. S 38 KA 36/14) nicht berufen. Denn dort sei Gegenstand gewesen, ob die Befugnis bestand, fachärztliche Leistungen, die von einer Ärztin ohne Gebietsbezeichnung als Dauerassistentin erbracht wurden, gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung weiter abzurechnen. Vielmehr habe das Gericht ausdrücklich ausgeführt, die Berechtigung, eine erteilte Genehmigung zu verändern oder zu entziehen sei den Zulassungsgremien vorbehalte...