Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Kassenärztliche Vereinigung Bayern. Abrechnungsbestimmung. Wirksamkeit einer Verpflichtung zur Vorlage einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Keine Zahlung von Abschlagszahlungen an MVZ in Rechtsform einer GmbH ohne Vorlage einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft.
2. Zur Rechtmäßigkeit der Abrechnungsbestimmungen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, hier § 5 Abs 1 a
Nachgehend
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Klägerin, ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) in der Rechtsform einer GmbH, begehrt von der Beklagten, an sie monatliche Abschlagszahlungen zu leisten, ohne die Leistung von der Beibringung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer Bank abhängig zu machen.
Die Beklagte hatte mit Schreiben vom 18.04.2012 die Klägerin informiert, dass aufgrund geänderter Abrechnungsbestimmungen der Beklagten nunmehr für medizinische Versorgungszentren, die in der Organisationsform einer juristischen Person des Privatrechts betrieben würden und deren Gesellschafter nicht ausschließlich natürliche Personen seien, eine selbstschuldnerische Bankbürgschaft zur Sicherung etwaiger Rückforderungen der Beklagten und der Krankenkassen beigebracht werden müsste, sofern monatliche Abschlagszahlungen begehrt würden. Mit dieser Regelung solle eine haftungsrechtliche Gleichstellung mit Einzel- oder Gemeinschaftspraxen erreicht werden, die sich nicht, wie zum Beispiel ein MVZ in der Rechtsform einer GmbH auf eine Haftungsbeschränkung berufen könnten. Die nach der neuen Abrechnungsbestimmung geforderte Beibringung einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft durch das MVZ dürfe nicht verwechselt werden mit der als Zulassungsvoraussetzung geforderten Abgabe einer selbstschuldnerischen Bürgschaftserklärung von jedem einzelnen Gesellschafter der MVZ-Trägergesellschaft. Sollte eine entsprechende Bankbürgschaft nicht fristgerecht beigebracht werden, so seien die Abschlagszahlungen ab dem 3. Quartal 2012 in entsprechender Höhe zu kürzen bzw. komplett zu streichen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.2013 als unzulässig, in jedem Falle aber unbegründet zurück. Hiergegen erfolgte Klageerhebung.
Mit Klagebegründung vom 07.07.2014 wurde ausgeführt, dass die Klägerin bezogen auf fünf Abschlagszahlungen eine Bankbürgschaft in Höhe von 12.038.500,00 Euro nach dem Schreiben der Klägerin beibringen müsse. Es entstünden hier Kosten in Höhe von 60.000 Euro pro Jahr bei einem Zinssatz von 0,5 Prozent. Die Klage sei begründet, da die Klägerin einen Anspruch auf Auszahlung der monatlichen Abschlagszahlung ohne Beibringung einer Bürgschaft habe. Der Anspruch ergebe sich aus § 5 Abs. 1 der Abrechnungsbestimmungen der Beklagten. § 5 Abs. 1 a der Abrechnungsbestimmungen der Beklagten, auf dem die Festsetzung des Bürgschaftserfordernisses beruhe, verstoße gegen höherrangiges Recht. Es liege hier ein Verstoß gegen § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V und auch gegen Artikel 3 Grundgesetz vor. Mit der Modifizierung des § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V habe der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass ein MVZ auch als juristische Person in der Rechtsform einer GmbH betrieben werden könne. Bei eindeutigem Wortlaut der Regelung bleibe auch kein Raum für Interpretation. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass in diesem Zusammenhang nur natürliche Personen, also bei einer GmbH die dahinterstehenden natürlichen Personen, die Bürgschaftserklärung abgeben sollen, so hätte er das ausdrücklich geregelt.
Es liege ein Verstoß gegen Artikel 3 Grundgesetz vor, da kein sachlicher Grund vorhanden sei, der es rechtfertige, dass ein MVZ, das eine juristische Person als Gesellschafter habe, anders zu behandeln sei als ein MVZ, das nur aus natürlichen Personen als Gesellschaftern bestehe. Obwohl alle Gesellschafter bereits eine selbstschuldnerische Bürgschaft geleistet hätten, würden erstgenannte MVZs zusätzlich mit den nicht unerheblichen Kosten einer Bürgschaft belastet.
Mit Klageerwiderung verwies die Beklagte auf die nun geltenden Abrechnungsbestimmungen. Ein Anspruch auf Abschlagszahlungen habe ein Mitglied nur, wenn und soweit eine kassenärztliche Vereinigung in ihren Honorarregelungen solche Zahlungen regele, denn aus dem SGB V oder aus dem Gesamtvertrag ergebe sich ein solcher nicht. Im Rahmen der Befugnis zur satzungsrechtlichen Rechtsetzung, bei der die Beklagte über einen weiten Gestaltungsspielraum verfüge, habe sie in § 5 der Abrechnungsbestimmungen den grundsätzlichen Anspruch auf Abschlagszahlungen und dessen Modifikationen im Einzelnen geregelt. Es sei darauf zu verweisen, dass das Erfordernis einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft ausschließlich mit der Abschlagszahlung verknüpft sei. Der Honoraranspruch je Quartal als solches bleibe von der Beibringung bzw. Nichtbeibringung der selbstschuldnerischen Bankbürgschaft vollkommen ...